Das Wunder von Wilmersdorf

Berlin ist Corona-Sperrzone. Berlin hat den Klimanotstand ausgerufen. Berlin taumelt zuverlässig und manchmal selbstverliebt von Krise zu Krise. Und doch geschehen Zeichen und Wunder. Am 18. März 2020 gegen 12 Uhr 20 fuhr ein mit Jungbäumen beladener LKW vor. Entschlossen packten mehrere Männer an und hievten mit Hilfe eines Krans einen dünnen, aber ambitionierten Spitzahorn auf die verwaiste Fläche vor unserem Haus. Sie pflanzten einen Baum! Unfassbar. Ein kleines Wunder.

 

Der Neue grüßt. Ein Spitzahorn, gepflanzt mitten in Corona-Zeiten.

 

Potzblitz! Donnerwetter! Stockschwerenot! Was ist nur passiert? Wie ist das möglich? Egal. Was zählt sind Glücksmomente und Gänsehaut-Gefühle. Es ist geschehen. Es geht doch! Nach exakt 895 Tagen Warten, Bitten, Fluchen und Hoffen, nach einem Dutzend Protestbriefe, mal kämpferisch, mal ironisch, mal resignativ, nach unzähligen Telefonaten ließ die zuständige Senatsverwaltung tatsächlich einen Ersatzbaum pflanzen. Nun muss der kleine Straßenfeger nur noch kräftig wachsen.

Nur zur Erinnerung. Das Sturmtief Xavier brauste am 5. Oktober 2017 in wenigen Minuten über Berlin hinweg. Der Orkan mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 140 Stundenkilometern erwischte auch unseren kräftigen Ahornbaum. Er knickte ächzend und stöhnend geradezu wie in Zeitlupe auf den Mazda unserer Nachbarin. Niemand wurde verletzt. Gott sei Dank! Sie war zwanzig Minuten zuvor ausgestiegen. Dann blieb die Fläche genau zwei Jahre und sechs Monate eine Hundeauslauf – und -Abwurfstelle.

 

5. Oktober 2017. Orkan Xavier legte „unseren“ Hausbaum gezielt auf das Auto unserer Nachbarin. Unsere Räder blieben verschont.

 

Mitten in der Corona-Krise setzt das kleine Bäumchen nun ein kleines Zeichen. Lasst die Hoffnung wachsen. Wie heißt es bei Max Frisch: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“  Zum guten Schluss muss das jetzt ausnahmsweise einmal sein: Allen Spendern und namentlich Susanne Lippert von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sei herzlich gedankt. Die Senatsmitarbeiterin war die Einzige in der Verwaltung, die mit Heiterkeit und Zuversicht unser Projekt unterstützte. Stadtbäume spenden geht übrigens nach wie vor. In Berlin sind allerdings – wie zu sehen – viel Geduld und ein verdammt langer Atem nötig. Anyway. Das Ergebnis zählt.

 

*** Aktualisierung  24. März 2020 ***

Mittlerweile wurde der Ahornbaum auch ordentlich eingehaust. Dabei erhielt der Baum eine Plakette: „Stadtbaum gespendet von Thea & Andrea 2020.“ Also zu früh gefreut: Das ist doch nicht unser Baum, auch wenn er jetzt vor unserem Haus steht. Ohne Posse kann diese Geschichte einfach nicht enden. Ich bleibe weiter dran und versichere allen Spendern, dass wir einen Ersatzbaum pflanzen werden. Irgendwo, irgendwie, irgendwann.

Fortsetzung folgt.

 

Der neue „Stadtbaum – gespendet von Thea & Andrea“

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