Mambo, Mozart und mehr
Wann gibt es das in der Berliner Philharmonie? Heiße Rhythmen, rhythmisches Klatschen, kreisende Hüften und tanzende Menschen im Foyer. Ausgelassen, spontan, begeistert zwischen Ausgang und Garderobe, ohne Programmankündigung und Sitzplatzreservierung. Die kubanischen Musiker des Havana Lyceum Orchestra verlängerten ihr zweistündiges Konzert im Kammermusiksaal und zogen in der Zugabe fröhlich-beschwingt aus dem Saal in die Empfangshalle. Dort sangen und improvisierten sie weiter, Chan Chan und Guantamera. So viel Lebensfreude, so viel Energie war schon lange nicht mehr in der eher hüftsteifen Philharmonie. Ein Konzerttempel, in der das gesetzte Publikum höchstens in Satzpausen mit einem spontanen Hustenkonzert auffällt. Mitten in der tanzenden Menge Hornistin Sarah Willis, lachend, ohne ihr Instrument, dafür mit neuen CDs, die sie dem Publikum hüftkreisend entgegenstreckt. Als wollte sie die ganze Welt umarmen. Was für ein wunderbarer Abend! Musik kann Flügel verleihen.
„Mozart y Mambo“ ist eine Erfolgsgeschichte. Das Crossover-Projekt ist ein Kind von Sarah Willis. Die Hornistin der Berliner Philharmoniker küsste nach einem ersten privaten Kubabesuch 2017 eine Idee. Warum nicht Mozart und Mambo miteinander verbinden? Warum nicht europäische Klassiker mit kubanischen Rhythmen würzen? Geht das? Das Waldhorn, das sie spielt, ist ein lautes, dominantes Instrument. Wer ins Horn bläst, muss ständig üben, sitzt im Orchester ganz hinten, braucht viel Puste und noch bessere Zähne. Lippenstift ist tabu. Seit 2001 riskiert die Amerikanerin bei den Philharmonikern eine „dicke Lippe“, um das Publikum mit ihrer Spielfreude zu erfreuen. Der Schritt zum Salsa war für sie ein sehr kurzer. Es hat sie einfach gepackt. Angeregt durch Wim Wenders Buena Vista Social Club-Doku besuchte sie Kuba und verliebte sich in Musik und Insel.
Die gebürtige US-Bürgerin aus Bethseda, Maryland hat keine Berührungsängste. Musik ist ihre Sprache. So knüpfte sie in der Trump-Ära Bande zum Havana Lyceum Orchestra. Das 2020 veröffentlichte Album setzte sich in vielen Ländern sofort an die Spitze der Klassikcharts. Jetzt ist „Mozart y Mambo“ erschienen. An diesem wunderbar leichten Berliner Abend, fernab vom Krisenmodus dieser Welt, legte das Orchester unter Leitung von José Méndez los. Hier ein „klassischer“ Mozart, dort kubanische Volkslieder, dazwischen fetzige Jazz-Improvisationen vom Feinsten, mittendrin die Weltbürgerin Sarah Willis, die mit Waldhornsoli und ihrem Mozart y Mambo-Projekt Herz und Seele verzauberte.
What a wonderful world! Lasst Musik sprechen. Eine andere, bessere Welt ist möglich.