Bühnenlicht Quelle: 383961

„Sein oder Nichtsein“

Die Hitlers kommen und gehen. Das Theater bleibt. Das ist die Geschichte von Sein oder Nichtsein. Shakespeare at its best. Polen, zu Beginn des II. Weltkrieges. Ein kleines Ensemble probiert, parodiert und präsentiert pointiert Hamlet. Das Team steht mit dem Rücken zur Wand, gibt alles, in den besten Momenten bringt es die Allmächtigen dieser Welt zum Wanken. So entsteht eine Parabel mit viel Galgenhumor, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt. New York 1942. Vor genau achtzig Jahren, als die Nazis auf dem Höhepunkt ihrer Macht sind, feiert die Tragikomödie Sein oder Nichtsein Premiere. Im Mittelpunkt eine Theatergruppe im von Deutschland überfallenen und besetzen Polen. Der Film wurde damals kein Kassenschlager. Das Echo auf die Hollywood-Produktion von Ernst Lubitsch war geteilt. Die Hitler-Parodie wurde vielfach als geschmacklos bezeichnet. Heute heißt es über den Klassiker: „Der Antifaschismus war niemals witziger“.

 

 

Regisseur Ernst Lubitsch, ein deutscher Jude, war 1922 in die USA ausgewandert. Auf die Kritik antwortete er: „Ich gebe zu, dass ich die Nazis nicht so dargestellt habe, wie das Filme und Theaterstücke sonst tun, wenn sie Naziterror zeigen. Keine Folterkammer, keine Auspeitschung; meine Nazis sind anders: Brutalität und Tortur sind ihre Alltagsroutine. Sie reden darüber wie ein Geschäftsmann über den Verkauf einer Handtasche. Sie machen ihre Witze über das KZ und die Leiden ihrer Opfer.“ Lubitschs Film basiert auf dem Theaterstück „Noch ist Polen nicht verloren“ des ungarischen Dramatikers Melchior Lengyel. Der Plot handelt von einer Warschauer Schauspieltruppe, die in verschiedenen Rollen und Verkleidungen die deutschen NS-Besatzer überlisten will.

 

Ernst Lubitsch. Deutscher Regisseur in den USA. (*1892 in Berlin. 1947 in Los Angeles) Foto: Wikipedia

 

Im Mittelpunkt das Schauspielerpaar Joseph und Maria Tura. Joseph freut sich, auf der Bühne, statt einer abgesagten Hitler-Parodie mit Hamlet glänzen zu können. Doch merkwürdigerweise verlässt immer bei seinen entscheidenden Worten Sein oder Nichtsein ein junger Mann den Saal. Dieser Leutnant ist ein aktiver Widerstandskämpfer und pflegt ein inniges Verhältnis mit seiner Frau. Bühne frei für Verwechslungen und überraschende Wendungen mitten in der NS-Besatzung. Längst geht es für alle im Ensemble ums nackte Überleben. Lubitsch: „Ich hatte die zwei etablierten und anerkannten Rezepte satt: Drama mit entlastender komödiantischer Einlage und Komödie mit dramatischen Elementen. Ich wollte niemanden zu keinem Zeitpunkt von nichts entlasten: Es sollte dramatisch sein, wenn es die Situation verlangt, und Satire und Komödie dort geben, wo sie angebracht sind.“

 

 

Beispiel gefällig? Hamlet-Mime Joseph Tura trifft als Fake-Professor den Gestapo-Chef: „Sie sind in London sehr berühmt. Wissen Sie, wie man Sie nennt? Man nennt Sie Konzentrationslager-Erhardt.“ – „Ach wirklich? Tatsächlich?“ – „Also man nennt mich Konzentrationslager-Erhardt!“ – „Ich habe doch gewusst, dass Sie so reagieren!“ Um den Warschauer Widerstand aber auch sich selbst zu retten, muss das Ensemble alles geben – und buchstäblich um Sein oder Nichtsein spielen.  Tatsächlich gibt es ein Happy End. Das Team wächst über sich hinaus. Dem Ensemble gelingt das Stück des (Über-)Lebens. Lubitschs Film ist eine zeitlose Komödie über die Kraft der Kreativität in Zeiten einer übermächtigen Besatzungsmacht, die am Ende mit Mut und Witz ausgetrickst werden kann. Das Ensemble kann sich nach England retten. Sein oder Nichtsein. 80 Jahre jung und kein bisschen veraltet.

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