With a little help… from some friends

Manchmal hilft ein guter Song. Feeling allright… Manchmal ist ein Lied ein treuer Begleiter. You are so beautiful…

Das himmlische Orchester hat 2015 einigen Zuwachs erfahren: Joe Cocker, Udo Jürgens, Jack Bruce, Johnny Winter, Paco de Lucia, Pete Seeger, Claudio Abbado und viele andere, die nicht immer im Rampenlicht standen. Wir Zurückgeblieben halten kurz inne, erleichtert, dass der Kelch an uns vorbei gegangen ist, dankbar für die Erkenntnis, dass gute Songs unsterblich sind. Denn Musik kann niemals verloren gehen. Wir verlieren jedoch die, die sie für uns gemacht haben.

Wie heißt es doch so vielversprechend im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach: „Großer Herr, oh starker König“ und ab geht der groovende, göttliche Bass-Lauf. Jack Bruce liebte diesen rhythmischen Ritt durch die Bach`schen Balladenwelt. Musik hilft auch unsere Welt zu ertragen. Manchmal ist der Alltag kaum auszuhalten, wie bei dieser wahren Geschichte. Sie handelt von einem Freispruch nach einer brutalen Prügel-Attacke. Sie spielt in Kreuzberg. Sie könnte an jedem anderen Ort in dieser Republik stattgefunden haben. Da wird ein Mensch, der helfen will, zum Pflegefall. Der Täter wird freigesprochen. Mangels an Beweisen, wie es heißt:

Die Meldung hat folgende Überschrift: „Freispruch nach brutaler Prügel-Attacke“. Ich habe sie im Archiv der Deutschen Presse Agentur gefunden. Und darum geht es:

„Nach einer brutalen Attacke auf einen 55 Jahre alten Passanten, der zwei belästigten Frauen helfen wollte, ist ein 22-Jähriger vom Vorwurf der schweren Körperverletzung freigesprochen worden. „Es ist nicht sicher nachweisbar, ob er Mittäter war“, urteilte das Berliner Landgericht. Der Angeklagte habe aber erkannt, dass das Opfer regungslos am Boden lag. Weil er nicht half, sei er der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Er soll deshalb fünfhundert Euro an den Schadensfonds für Opfer von Gewalttaten zahlen.

Der Passant war bei dem Angriff im Mai 2012 in Berlin-Kreuzberg lebensgefährlich am Kopf verletzt worden. Er ist seitdem zu 80 Prozent schwerbeschädigt. „Ein Mann hat seine Hilfsbereitschaft mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen bezahlt, es ist eine Tragödie“, sagte der Vorsitzende Richter. Dem Angeklagten sei aber nicht zu widerlegen gewesen, dass ein anderer Mann den Helfer derart verletzte. Die Staatsanwaltschaft hatte das anders gesehen und drei Jahre Jugendhaft gefordert.

Der Angeklagte und ein bislang unbekannter Mann hatten an einem Parkhaus im Stadtteil Kreuzberg zwei junge Frauen behelligt. „Sie wurden aggressiv angebaggert“, heißt es im Urteil. Zwei Radfahrer und der Passant seien daraufhin eingeschritten. Einer der beiden jungen Männer habe dem 55-Jährigen einen starken Schlag oder Tritt versetzt. In Richtung des Opfers sagte der Vorsitzende Richter: „Wer das war, konnte nicht geklärt werden, es tut mir leid.“

Der Passant erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Fünf Monate lang befand er sich in Kliniken. An die Tat habe er keine Erinnerung, sagte seine Anwältin. Die Folgen seien gravierend: Er könne nur verwaschen sprechen und leide an Störungen der Bewegung. „Er ist ein Pflegefall.“ Der Angeklagte hatte erklärt, sein damaliger Begleiter, den er lediglich mit einem Vornamen benannte, sei der Angreifer gewesen. Der Richter sagte, er hoffe, dass sich bei dem Angeklagten „eines Tages das schlechte Gewissen meldet und er sagt, wer der Täter ist“.

Jetzt hilft nur noch Joe Cockers wunderbare Version eines alten Beatles-Songs. „With a little help from my friends.“ Allen Unverdrossenen, Mutigen und Couragierten dieses Landes gewidmet…

Eine Auswahl aus Leserreaktionen. Viele wollen anonym bleiben. (2008 – 2013)

„Hopefully a US publisher will be wise enough, someday, to publish „Verrat verjährt nicht“ in English.  It’s chilling how the Stasi was able to control society.  More people need to be made aware of the tactics they used.“

Al Vybiral, Wahoo, Nebraska

 

„Ihr ‚Ringen um den richtigen Ton‘ hat mich ihr Buch in einem Atemzug (bei einer 87jährigen schon etwas schwächlich) lesen lassen, obgleich es mich und meine Auseinandersetzungen mit der NS-Geschichte, bzw. erst ansatzweise von West/Ost-Begegnungen, kaum zu betreffen schien. Aber Ihr Buch betrifft vielmehr als das Titel-Thema, ja es könnte Grundlage werden für ganz neue Gesichtspunkte der öffentlichen Vergangenheitsdiskussion, an der ich mich seit mehr als 30 Jahren beteilige. (…)
Denn mich bewegt seit 1989 der Wunsch, den damaligen Bürgerrechtlern in der DDR (und nicht nur diesen!) mögen einige der Erfahrungen von uns Überlebenden des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus erspart bleiben; zumal, wenn aus Überzeugung auch „Normalbürger“ zwischen allen Stühlen sitzen.“

Anna Sabine Halle, Großnichte von Otto Lilienthal, NS-Widerstandskämpferin

 

„Mich hat das Buch begeistert: es ist nah an den Menschen – ohne zu moralisieren – . Es beschreibt Menschen, die suchen oder verführbar sind aus den unterschiedlichen Gründen   … und irgendwo findet man sich auch selber ein bißchen wieder.“

Michael Hillmann, Schortens

 

„Ich möchte mehr über Machenschaften in meiner Familie wissen. Da hat die Stasi mitgewirkt. Da ist vieles noch verborgen.“ Ob ich helfen könne. Als Journalist. Oder ob er sich bei der Behörde als Hobbyjournalist ausgeben solle. Ich verweise ihn an den zuständigen Landesbeauftragten.

Leser aus Dresden

 

„Außenstehende sehen nur die Schattenrisse derer, die weder Schuld noch Reue spüren und heute, die in der Mielkemühle verübten Taten als Ehrendienst verkaufen. Ihre Strukturen zerbröseln, aber mein enteignetes Eigentum – Werkzeug, gesammelte Arbeiten, auch mein Elternhaus – ging an Stasileute und ihre Erben, eben weil ihre Strukturen noch in diversen Ämtern wirksam sind. Da frag ich, wo leben wir heute? Im Krieg lebten wir in „Meuchland“, dann in SED-„Deuchtland“ und heut? etwa in „Heuchland“ oder „Täuschland“? Meine Lebensgeschichte war jedenfalls kein Kindermärchen. Ohne Schulabschluss fand ich mein Berufsleben allein, verlor es aber als Dissident; wie mein Vater 1942 sein Leben verlor.“

Hans Georg Urbschat. Lehrmittelgestalter, Grafiker, Raumfahrtjournalist, Briefmarkengestalter und Erfinder. – Gründungsmitglied der „Deutschen Astronautischen Gesellschaft  der DDR“

 

„Verblüfft muss ich also jetzt feststellen, dass der „Meisterspion von Dresden“ mir das Überleben in den Jahren der Wende, wo für freischaffende Künstler der ehemaligen DDR die gesamte Infrastruktur zusammengebrochen  war, doch ein wenig erleichtert hat.  Dass er mich und meine Familie möglicherweise (oder vermutlich) auch „nebenberuflich“ auswertete, davon war ich weniger geschockt, als von der „Betreuung im guten Sinne“. Persönlich „betreut“ wurde ich und meine Familie seit den siebziger Jahren reichlich und durchaus nicht immer „im guten Sinne“. Doch das ist eine andere Geschichte, die noch nicht geschrieben ist und vielleicht nie geschrieben wird.“

Aini Teufel. Künstlerin. Dresden

 

„Jetzt endlich komme ich dazu das Buch zu lesen….es ist super spannend!!! Und es ist einfach unglaublich, was man da zu lesen bekommt. Die Frau, die das in einer Nacht durch hatte, kann ich gut verstehen.“

Nadja Deckers. Berlin

 

„Das Buch hat einen „warmen“ Schreibstil. „Man“ (auch Frau) liest allein schon deswegen die Texte gerne. Es beschreibt sehr genau ohne langatmig und verwirrend zu wirken. Ich kann mich gut in die Personen hineinversetzen. Z.B. kommt bei der Meisterspionin aus Leipzig sehr deutlich die eigene Zerissenheit zum Ausdruck und man versteht ihre ursprnglichen Motive. Ganz toll! Und ganz wichtig: Das Buch moralisiert nicht! Soweit die Kritik eines Lesers.“

Klaus Schneider. Berlin

 

„Nun habe ich es also erst vor wenigen Tagen geschafft, die erste Seite aufzuschlagen und in die Welt von denjenigen Menschen einzudringen, die andere hintergangen haben oder hintergangen wurden. Ich konnte es schon bald nicht mehr aus der Hand legen. Nicht nur haben mich die einzelnen Lebensgeschichten der Protagonisten fasziniert – wenngleich dies ein ambivalentes Wort für die Realitäten sind, die das Buch beschreibt -, es war auch die Frage danach, was Verrat bedeutet und wie er einen Menschen (vor allem wohl die Opfer) sein Leben lang begleitet, die mich bei diesem Buch in einen Sog gezogen hat. Vielleicht ist es gerade die Tatsache, dass letztendlich die Frage nach einer Motivation oder einer Erklärung, warum jemand einen anderen geliebten oder befreundeten Menschen verrät, nie zu einem Abschluss kommen kann, die so bewegend ist.  Das Buch ist sehr eindringlich in seinem Blick und gerade in seiner zurückhaltenden Sprache auch sehr berührend.“

Sarah Hofmann. Berlin

 

„Was ich gesehen (und natürlich bei der Lesung in Halberstadt gehört habe), gefällt mir in seiner nüchternen und doch warmherzigen Art, mit der das Buch dem Gegenstand gerecht zu werden versucht. Das ist wohltuend, denn es gibt viel Geschrei rundherum. Zudem liest es sich auch noch gut – will meinen, die Sprache klingt im Kopf gut, alles ist flüssig, da habe ich ein Gespür als Musiker…“

Ralf Hoyer. Berlin

 

„Ich war beides. Erst Opfer, dann Täter. Als Lehrer musste man das. Ich habe mich öffentlich in der Geschichtswerkstatt Jena gestellt, vor dreihundert Leuten, aber das hat keinen wirklich interessiert. Nur die wirklichen Opfer verstehen mich. Wenn Sie weiter Interesse am Thema haben, stehe ich zur Verfügung.“

Leser aus Jena

 

post image

Die Mauer des Schweigens durchbrechen

Von Alexander Maier

Sie haben andere bespitzelt, verraten und verleumdet. Und was für viele ihrer Opfer am schlimmsten ist: Sie haben jenes Vertrauen missbraucht, das man den Menschen aus seinem engsten Umfeld ganz selbstverständlich entgegenbringt. Viele der ehemaligen Stasi-Spitzel waren überzeugt, das Richtige zu tun. Andere spitzelten, weil sie sich Vortei- le versprachen. Wieder andere wag- t en nicht, nein zu sagen. In seinem Buch „Verrat verjährt nicht“, das er nun in der Stadtbücherei vorstellte, erzählt Christhard Läpple „Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land“, die zeigen, was Menschen dazu brachte, ihre Nächsten zu hintergehen. Und die zeigen, welche Verletzungen das bei ihren Opfern hinterlassen hat. Wie wichtig es ist, sich diesen Fragen zu stellen, mach te Läpple im erhellenden Dialog mit EZ-Chefredakteur Markus Bleistein deutlich.

„Verrat verjährt nicht“ (Verlag Hoff mann & Campe, 19,95 Euro) gehört zu jenen Büchern, deren Entstehen gar nicht geplant war. Der Fernsehjournalist Christhard Läpple sollte vor Jahren für seinen Sender recherchieren, wie weit der Arm der Stasi einst bis ins ZDF gereicht hatte. Die Ergebnisse waren nicht allzu spektakulär, doch Läpples Interesse war geweckt: Er wollte erfahren, wie einstige Informanten 20 Jahre nach der Wiedervereinigung mit ihrem Verrat umgehen. Doch die Recherchen gestalteten sich denkbar schwierig, weil sich nur die wenigsten ihrer Schuld stellen. „Keiner redet gern über seinen Verrat. Ich war über jeden einzelnen froh, der bereit war zu reden“, resümiert der Autor.

 

Fallstudien moralischen Versagens

Ein halbes Dutzend einstiger Stasi-Informanten hat Christhard Läpple in seinem Buch vorgestellt. Und weil er nicht zu denen gehört, die die Verräter von damals vom hohen Ross herunter verurteilen, ist es ihm gelungen, ihnen noch näher zu kommen und so noch authentischer zu erfahren, was sie zu Verrätern werden ließ. Läpple stellt keine Persilscheine aus, doch er versucht zu verstehen: „Es gibt Abgründe des Verrats, die unfassbar sind. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie es wirk- lich gewesen ist. Nur so lässt sich das Schweigen durchbrechen.“ Und das tue mehr denn je Not: „Gewissen ist etwas sehr Privates. Viele verschanzen sich heute hinter politischen Argumenten, mit denen sie ihren Verrat begründen. Wenn es uns gelingt, diese Mauer einzureißen, haben wir schon viel erreicht.“

Markus Bleistein, der diesen Abend in der Reihe „Zeit und Geist“ von Stadtbücherei, Dieselstraße und Eßlinger Zeitung kenntnisreich moderierte, sieht in Läpples Fallstudien verbindende Motive: „Das Gefühl, selbst Familienmitglieder täuschen zu müssen, lässt Schuldgefühle entstehen. Da ist wenig vom Glanz eines James Bond, sondern viel von Verstellung und Täuschung und Ein samkeit, die die Agenten zunehmend und intensiv persönlich belasten.“ Christhard Läpple unterschlägt diese armseligen Momente eines Agentenlebens nicht, sondern zeigt, dass auch die Spitzel einen hohen Preis bezahlten – etwa die junge Frau, die er in seinem Buch „Tanja“ nennt und die sich in fester Überzeugung, das politisch Richtige zu tun, anwerben ließ. Läpple hat sie mit ihrer unrühmlichen Vergangenheit konfrontiert – und er ist überzeugt, dass das nicht nur ihr selbst, sondern auch ihren Opfern hilft, das Geschehene zu verarbeiten: „Wir reagieren alle sehr empfindlich, wenn wir das Gefühl haben, hintergangen worden zu sein. Das zu verarbeiten, setzt voraus, dass sich die, die uns hintergangen haben, wenigstens für ihre Tat entschuldigen.“

Läpple versteht den Titel seines Buches „Verrat verjährt nicht“ moralisch: „Juristisch ist dieses Phänomen nicht zu bewältigen.“ Deshalb ist mit der rechtlichen Verjährung des Stasi-Unrechts im Herbst für ihn das Thema noch lange nicht abge-hakt – zumal er sich mit Bleistein einig war, „dass Verrat als Topos so alt wie die Menschheit ist“. So war es das besondere Verdienst dieses Abends, über das Fallbeispiel der Stasi-Spitzeleien hinaus den Blick auf die moralisch-universelle Dimension des Themas zu erweitern. Denn Vertrauensbruch und Verrat sind mit dem Ende der DDR aus unserer Welt nicht verschwunden.”

Über Stänkerer vom Dienst

Dieser Mitmensch ist verärgert und will, dass es die ganze Welt weiß. Sofort. Ohne Abstriche. Alle mal herhören! Sein Lebensinhalt ist sich zu beklagen und über andere herzuziehen. Diese Mission treibt ihn an, ist seine Leidenschaft, die ihm großes Vergnügen bereitet. Der Stänkerer bläst nicht allein Trübsal. Er will sich mitteilen und beklagt sich gerne schriftlich, wenn es sein muss in doppelter Ausführung. Am besten im Internet. Shitstorms sind seine Lieblings-Wetterlagen.

Der Stänkerer braucht ständig Nachschub. Er liegt stets im Hinterhalt auf der Lauer. Er registriert, wann, wo, von wem und wie der Müll in die Tonne wandert. Jedes Fehlverhalten wird denunziert. Die Nachbarschaft hallt wieder von seinen schlichten Denunzierungen, haltlosen Verleumdungen, nachbarschaftlichen Fehden, Eifersüchteleien, ständigen Rechthabereien. Es sind Reklamationen jeglicher Art und Größenordnung, en gros und en detail. Keiner ist vor dem Stänkerer vom Dienst gefeit. Er ist stets hellwach und allzeit dienstbereit.

Meckerer schließen sich gerne einer Gruppe an. Sie wollen dazugehören, gegen die da oben: die Politiker, Bosse, Chefs und überhaupt Vorgesetzte im Allgemeinen. Sie hören auf den Zeitgeist und verkörpern ihn. „Das darf man wohl noch sagen dürfen“, ist ihr Motto. Aber „die machen sowieso was sie wollen“, bleibt ihr Schicksal, dem sie sich gottgegeben fügen. Bloß nichts ändern! Das wäre das Schlimmste. Wenn sich wirklich etwas ändert, wäre das ein Grund mehr zum lustvollen Meckern.

Der Nörgler weiß alles besser. Er ärgert sich besonders, wenn ihm niemand zuhört. Das treibt ihn an. Er braucht eigentlich Publikum wie der Künstler den Beifall als tägliches Brot. Der Nörgler bleibt jedoch am liebsten in Deckung, gibt sich selten offen zu erkennen, würde nie seinen Namen preisgeben. „Das tut nichts zur Sache“ – sagt er – obwohl es ihm stets um die Sache geht wie er betont. Nörgler nerven. Das ist ihre wahrlich verkannte Größe und Stärke.

Was tun? Gegen Stänkerer, Meckerer und Nörgler ist buchstäblich kein Kraut gewachsen. Es sei denn ausgesprochen gute Laune oder viel Geld, sogar sehr viele Euros als Schweigeprämie. „Ich scheiß dich zu mit meinem Geld“, warf Klebstoff-Fabrikant und Wohlstandsmonster Haffenloherseinen Kritikern an den Kopf, in der Fernsehserie Kir Royal großartig verkörpert von Mario Adorf. Bleibt eine Frage an alle unsere Stänkerer, Meckerer und Nörgler vom Dienst:  Was ist der Grund, dass sich so viele unwohl fühlen, obwohl es den meisten verdammt gut geht? Oder geht es ihnen nur gut, wenn sie stänkern, meckern, nörgeln…?

post image

„Alte Liebe rostet nicht“ in Hoyerswerda

Altstadt Hoyerswerda. Sanierte, putzige Fachwerkhäuser. Rathaus, Marktplatz, stolzer kleinbürgerlicher Biedermeier. Meilenweit vom Plattenbau-Klischee entfernt. Ich will einen alten lindgrünen Trabi in einer sanierten Seitengasse fotografieren. Der Besitzer steigt misstrauisch in seinen kleinen Frosch auf vier Rädern und bremst direkt vor mir. Der Fahrer, ein Rentner samt Frau, spricht mich energisch an: „Was haben Sie da gemacht? Haben Sie im Auftrag der Stadt fotografiert, weil ich im Parkverbot stand?“ Der Ton ist grimmig. Ich erkläre ihm, ich sei ein harmloser Tourist aus Berlin und hätte das Motiv und sein Auto gut gefunden.

„Ach, so!“ Die Atmosphäre hellt sich auf. Sichtlich stolz beginnt er zu erzählen: „Am 24. Oktober 2014 wird mein Trabi 25 Jahre alt. Silberne Hochzeit! Stellen Sie sich das mal vor: 125.000 Kilometer Pannen- und unfallfrei.“ Zärtlich streichelt er sein Lenkrad, seine Frau lächelt stumm. Der rüstige Mann startet seinen Zweitakter, tuckert davon und grüßt mit einer bläulichen Abgaswolke. „Alte Liebe rostet nicht.“

post image

NEUE WESTFÄLISCHE

Von Sammelwut und Regelflut

Alexander Neubacher und Christhard Läpple diskutieren über Umweltschutz

Muntere Diskussion

Gütersloh (NW). Wir reinigen geleerte Joghurtbecher, manche sogar in der Spülmaschine, bevor sie in den gelben Sack wandern – und später in der Müllverbrennungsanlage “thermisch verwertet” werden. Wir fahren im Sommer zum Ökomarkt in der Region, manche sogar mit dem SUV, um Bio-Äpfel zu kaufen – obwohl diese monatelang im Kühlhaus gelagert werden und die CO2-Klimabilanz damit im Vergleich zum Übersee-Import frischer Äpfel aus Neuseeland verheerend ausfällt.

Mit diesem kontraproduktiven “Ökofimmel” beschäftigt sich der “Spiegel”-Wirtschaftsredakteur Alexander Neubacher in seinem gleichnamigen Buch. Anlässlich des “begreen Day” bei Bertelsmann, einem Tag des Umweltschutzes, den der Konzern jährlich veranstaltet, war Neubacher Mittwochabend auf dem “Grünen Sofa” im Bambi-Kino zu Gast und diskutierte mit dem ZDF-Moderator Christhard Läpple über seine provokanten Thesen.

Vor rund 90 interessierten Zuhörern beließ es Neubacher dabei nicht beim Anprangern von Sammelwut und Regelflut. Er gab, pointiert wie charmant herausgefordert von Läpple, nur zu gern die in seinem Buch postulierten Thesen wieder, nach denen Biohöfe Lifestyle-Phänomene sowie Fortschrittsglaube und Umweltbewusstsein zwei Pole seien, die irgendwann begonnen hätten, auseinanderzudriften.

“Ich bin mit Waldsterben und Umweltkatastrophen groß geworden und habe meinen Kindern beigebracht, einen Zahnputzbecher zu benutzen, um Wasser zu sparen – selbst wenn es besser wäre, es laufen zu lassen. Die Umwelt rührt auch an mein Herz”, gestand der studierte Volkswirtschaftler ein. Dieses irrationale Verhalten sei jedoch nicht zuletzt einer gewissen ideologischen Verblendung der deutschen Bevölkerung in ökologischen Fragen zuzuschreiben, deren Ursachen Alexander Neubacher auch in der Interessenpolitik von Parteien und Verbänden sieht.

Immer wieder nahm der Journalist anschauliche Beispiele für ökologische Überreaktionen zur Hand, die man nun nicht mehr loswerde: teure quecksilberhaltige Energiesparlampen, E10-Benzin aus Mais, bunt bedruckte Einweg-Papiertüten im Supermarkt. Und was soll der Verbraucher denn angesichts dieses kollektiven “Ökofimmels” nun tun?, lautete die zentrale Frage, die das verunsicherte Publikum in der anschließenden Diskussion an den Umweltschutzskeptiker richtete. “Den Sinn für das Wesentliche wiederfinden und den Pessimismus ablegen, was den Fortschritt angeht”, empfahl Neubacher.

post image

TAGESSPIEGEL

Zu meinem ÄRGER

Männer, die auf Telefone starren

Christhard Läpple, Redaktionsleiter “Aspekte”, resümiert die Medienwoche.

Über unkündbare Boni-Flughafenmanager, dopende Dauersieger auf Rennrädern und einen telefonierenden Parteisprecher. Aber leider auch über die altehrwürdige BBC. Jahrzehntelang konnte Top-Moderator Jimmy Savile ungeschoren Missbrauch treiben. Erst nach seinem Tod traute sich die BBC, eine Doku über die jungen Opfer zu senden, die zuvor aus dem Programm verbannt worden war. Jetzt ermitteln gleich zwei Untersuchungsausschüsse. Peinlich!

Gab es auch etwas, worüber Sie sich freuen konnten?

Aber klar doch. Dass bayerische Parteisprecher nicht die Nachrichten der Sender bestimmen können, ist eine erfreuliche Geschichte.

In diesem Fall zeigte sich das ZDF konsequent und mit Augenmaß. Gut so! Öffentlich-rechtliche Sender gehören weder einer Partei noch irgendwelchen Interessenverbänden. Sie sind der Allgemeinheit verpflichtet. Dafür erhalten sie Gebühren. Das klingt altmodisch, ist aber – wie wir sehen – hochaktuell.

Welche Webvideos können Sie empfehlen?

Unbedingt www.der-postillon.com besuchen. Der Fürther Stefan Sichermann betreibt seine Satireseite praktisch im Alleingang. Dort klauen auch Fernsehleute heimlich ihre Witze. Sichermann hat das Futur III erfunden: „Nächstes Jahr wäre der Berliner Flughafen gewesen worden sein.“ Kurzum: eine Zeitform für künftige Ereignisse, die möglicherweise nie passieren werden.

post image

SÄCHSISCHE ZEITUNG

Die Mata Hari aus Hoyerswerda

ZDF-Journalist Christhard Läpple hat die Karriere einer Auslands-Agentin im Kalten Krieg recherchiert. Ihre wenig erfolgreiche Spionage-Laufbahn begann an der Schule im WK VI.

Von Mirko Kolodziej

 

Zwischen Übertreibung und Beschwichtigung, zwischen Dämonisierung und Verdrängung, sagt Christhard Läpple, sei in der Diskussion über den DDR-Geheimdienst lange die Genauigkeit auf der Strecke geblieben. Der Fernsehjournalist hat versucht, diese Genauigkeit hinzubekommen. Sein Sender, das ZDF, hatte ihn vor ein paar Jahren beauftragt, den Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) auf die Mainzer An- stalt zu recherchieren. Er las also unzählige Akten und machte sich auf die Suche nach Zeitzeugen.

 

Einer seiner Wege sollte ihn dabei nach Hoyerswerda führen. Läpple hat unter anderem das sowohl in einer Fernsehdokumentation mit dem Titel „Die Feindzentrale“ als auch in seinem Buch „Verrat verjährt nicht“ nachgezeichnet. Christina heißt die Frau, wegen der Läpple an die Schwarze Elster kam. Sie ist heute 61 Jahre alt und lebt in Hamburg. Ihre Karriere als Stasi- Agentin in der Bundesrepublik aber begann an der POS X „Otto Grotewohl“ im WK VI, der heutigen Mittelschule „Am Planetarium“. Christina war dort als Lehre- rin beschäftigt, als sie hier 1977 Be- such von zwei MfS-Männern be- kam. Ihr eigener Mann, ein Stasi- Zuträger, hatte ohne ihr Wissen zu einem Anwerbeversuch geraten. Die junge Frau stimmte zu. „Sie hatte so idealistische Vorbilder“, sagt Christhard Läpple.

Was folgte, könnte sich kein Autor von Agenten-Thrillern besser ausdenken: Christina lernt in Leipzig im Zuge der Promotion einen Mann aus Tansania kennen und lieben. Die Stasi schleust beide als Spionage-Pärchen in den Westen ein. Ihren kleinen Sohn muss Christina in der DDR zurücklassen. Zuvor hatte sie sich umfangreich schulen lassen, lernte den Umgang mit Kleinbildkamera, Geheimtinte und chiffriertem Funkverkehr. „Sie sollte so ei- ne Art Mata Hari werden“, schätzt Christhard Läpple ein.

Über Mata Hari, die niederländische Tänzerin, die ab 1915 für die Deutschen spitzelte, heißt es bei Wikipedia, ihre Tätigkeit sei schlicht bedeutungslos gewesen. So ähnlich war das laut Aktenlage auch mit den Informationen, die Christina als Agentin der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des MfS lieferte, unter anderem von einem Praktikum in der damals neuen Abteilung Zeitgeschichte des Zweiten Deutschen Fernsehens. Die Stasi hätte die meisten Dinge auch in westdeutschen Zeitungen nachlesen können. 1988 stieg die Mata Hari aus Hoyerswerda von sich aus dem Spionagegeschäft aus.

 

Besuch in der Collinsstraße

Als Christhard Läpple sie während seiner Recherchen anrief, war sie zunächst erschrocken. Dann stimmte sie zu, ihre Geschichte zu erzählen, ging sogar vor die Kamera. Gleichzeitig offenbarte sie sich Verwandten, Freunden, Bekannten und den einstmals von ihr Bespitzelten, darunter ZDF-Autorin Barbara Lueg oder Willy Brandts ehemaliger Redenschreiber Klaus Harpprecht. Es war wohl eine Art Befreiungsschlag. „Die meisten haben Verständnis gezeigt, auch Respekt für die Offenheit gezollt“, schildert Christhard Läpple, der schließlich mit Christina nach Hoyerswerda fuhr, um Erinnerungen an die Oberfläche zu holen. Leipzig oder Mainz standen hingegen gar nicht zur Diskussion. „Sie wollte list. Sie erinnerte sich an die Zeit, in der man in Teilen der Neustadt noch Gummistiefel brauchte, an den Aufbruchsgeist. Sie guckte auch nach ihrer Altstadt-Wohnung.

 

Zwei Tage dauerte der Besuch in Hoyerswerda. „Es war für sie fast schockartig“, entsinnt sich Läpple. Er sagt, ihn habe interessiert, was Christina von anderen unterschieden hat. Er war auf die Suche nach dem Antrieb einer Agentin gegangen. In Film und Buch zeigt er aber mehr oder weniger einfach eine Frau unter recht abstrusen Bedingungen, deren Lebensweg ihr wohl vor allem den absoluten Glauben an idealistische Ziele genommen hat. „Ich habe begriffen, dass ich von meinem Schwarz-Weiß-Denken wirklich in die Mitte gerückt bin, dass ich heute Grautöne akzeptiere und dass ich behutsamer mit Menschen umgehe, dass ich politisch Andersdenkende anhören kann, ohne in ihnen gleich Gegner zu sehen“, wird Christina jedenfalls in „Verrat verjährt nicht“ zitiert.

 

Verrat verjährt nicht – Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land, Christhard Läpple, Hoffmann und Campe, 19,95 Euro, 350 Seiten, ISBN 978-3-455-50088-2

 

Hoyerswerdaer Tageblatt 31.05.2012

post image

LEIPZIGER VOLKSZEITUNG

Kein ganz normales Land

In der Talk-Nacht in der LVZ-Kuppelhalle diskutieren neun Autoren über Deutschland

Deutschland  ist  das  beliebteste  Land der Welt. So lautet die Eingangsthese zur  doppelten  „Deutschstunde“  am Donnerstagabend  in  der  Kuppelhalle der LVZ, bei der Gemeinschaftsveranstaltung  mit  ZDF  aspekte,  Deutschlandfunk und Club Bertelsmann. Neun Gäste  nehmen  das  Selbstverständnis der  Deutschen  unter  die  Lupe  –  zwischen  historischem  Schuldrucksack, Sommermärchen-Leichtigkeit  und „German Angst“.

Von DIMO RIESS

Es ist das Ergebnis eine Umfrage der BBC, die Aspekte-Moderator Christhard Läpple zu Beginn der ersten Talk-Runde mit  Henryk  M.  Broder,  Lena  Gorelik, Halldór  Gudmundsson,  Inge  Kloepfer und Cornelius Weiss aus dem Hut zaubert.  Deutschland  ist  das  beliebteste Volk der Welt. An der Belastbarkeit solcher  Erhebungen  darf  gezweifelt  werden. Wichtiger sind die Reaktionen: Innen-  und  Außensicht  divergieren. Journalistin  Inge  Kloepfer,  die  im  Ausland  ihre  Herkunft  gern  verschleiert, zeigt sich überrascht.

Halldór  Gudmundsson  hingegen,  isländischer  Schriftsteller  und  Verleger,  wundert sich über das Ansehen der inzwischen „sehr relaxten“ Deutschen gar nicht.  Zwischen  diesen  Sichtweisen spannt  sich  die  Diskussion  auf,  und  es fallen  die  erwartbaren  Begriffe  wie Ordnung,  Verschlossenheit  und  Planungssicherheit.  Ob  diese  Charakterisierungen  nun  fortgelten  (die  in  Russland  geborene  Schriftstellerin  Lena Gorelik kam als Kind nach Deutschland und  empfand  die  Menschen  als  verschlossen)  oder  über  Bord  geworfen werden  mit  einer  „Italienisierung“  der Lebensart, wie sie später Thea Dorn diagnostiziert und Freude am Risiko, das Broder  an  den  Börsen  erkennt.  „Die Deutschen  sind  ein  Volk  von  Zockern geworden.“

Es fällt dabei zweierlei auf: Eine neue Leichtigkeit glaubt man sich selbst nicht, weshalb  auch  an  diesem  Abend  der langsam  vergilbende  Beweis  Fußball-WM  2006  bemüht  wird.  Und:  Früher oder später landet die Debatte bei dem Begriff  „Stolz“.  Spätestens  dann  ist  es mit  der  Leichtigkeit  endgültig  vorbei. Gorelik:  „Wir  sind  die  einzige  Nation, die  darüber  diskutiert.“  Gudmundsson hält  Stolz  auf  die  Heimat  für  normal, würde  Deutschland  eine  Normalität  in dieser Hinsicht gönnen. Cornelius Weiss, einst  Rektor  der  Universität  Leipzig, rückt das zurecht: „Sie haben auch nie Island, Island über alles gesungen.“

Deshalb sucht die jüngere Generation weiterhin  nach  differenzierten  Antworten.  Kloepfer  zitiert  ihre  Tochter,  die stolz sei, dass bei 80 Prozent der Schüler ihres Charlottenburger Gymnasiums zu Hause noch eine zweite Sprache gesprochen wird. „Dann ist sie stolz, sich selbst abzuschaffen“, folgert Broder, der damit  die  verbale  Strickleiter  zu  Thilo Sarrazin herablässt – und kaum Widerspruch erntet.

Da streift, wie könnte es in der Folge des Wulff-Rücktritts anders sein,  die  Diskussion  auch  die  politische Führungsebene  zwischen  Volkskammerwahl am 18. März 1990 und Bundesversammlung am 18. März 2012. Mit Gauck und  Merkel  werden  dann  zwei  Ostdeutsche  höchste  Führungsämter  bekleiden. Was,  so  Broder,  von  den  westdeutschen Eliten  als  Kränkung  empfunden  werde. Ein  wenig  Triumphgefühl  schwingt  mit im Raum. Verständlich. Nur kommt niemand  auf  die  Idee,  den  politischen  Vorgang fast 22 Jahre nach der Wiedervereinigung  als  selbstverständlich  zu begreifen. Es ist eben doch noch ein wenig hin zu der Normalität, die Gudmundsson den Deutschen gönnen würde.

Hatte nicht viel mit dem zu tun, was man aus der Schule kennt: Die doppelte Deutschstunde in der Kuppelhalle der LVZ.

post image

ECKERNFÖRDER ZEITUNG

Stasi veränderte das Leben aller

droppedImage

Christhard Läpple stellte auf Einladung des Baltic Sea International Campus sein Buch “Verrat verjährt nicht” vor

Eckernförde. “Für mich war das heute eine spannende Diskussion. Auch anders als in anderen Städten. Durch Gaucks Eckernförde-Besuch im März 2011 und die aktuellen Entwicklungen hat das Thema eine neue Qualität bekommen”, wird Christhard Läpple später den Abend beurteilen. Aber der Reihe nach: Läpple, Redaktionsleiter der Sendung “Aspekte” im ZDF, las auf Einladung des Baltic Sea International Campus (BSIC) vor rund 60 Gästen Passagen aus seinem hochinteressanten Buch. Für “Verrat verjährt nicht – Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land” nahm Läpple mit Menschen Kontakt auf, die nach Aktenlage als Informanten für die Stasi tätig gewesen sind.

“Von hundert Leuten kamen neunundneunzig Absagen…” Es gäbe da ein Sprichwort: ‘Man liebt den Verrat, nicht aber den Verräter’, erklärt sich der Gast die vielen vergeblichen Anfragen. Anhand eines Geschwisterpaares, das sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt, schildert Läpple, wie sich die Dinge verhielten, damals in der DDR. Die Schwester flüchtet, der Bruder baut sich seine Existenz im Ostteil des Landes auf. Er erwähnt bei seiner Anwerbung durch die Stasi, ihn würden Welten von seiner Schwester trennen. “In Wirklichkeit waren es nur wenige Kilometer. Er wohnte in Ost-, sie in West-Berlin”, so Läpple. Der Bruder bildet Gysi zum Melker aus (“Er konnte viel und gut reden, war aber ein schlechter Melker”), nimmt seine Aufgaben im Betrieb sehr ernst, trifft sich mit Stasi-Offizieren und mit seiner Schwester. Im Interview ereifert er sich: “Ich? Ein gemeiner Stasi-Spitzel? Ich habe nichts Verbotenes getan.” Die Schwester sei schuld. Sie sei doch abgehauen. In der folgenden Diskussion nennt ein Zuhörer das Beispiel der Geschwister eine “Bagatelle”. Ein anderer fragt, ob man denn nun weiter aufarbeiten oder damit aufhören solle. Läpple weiß, dass mehr als 2,5 Millionen Menschen bisher ihre Akten eingesehen haben, er hält eine Öffnung weiterhin für den besten Weg, sie trage zur Klärung bei. “Die DDR schuf mit der Stasi immerhin 90 000 Arbeitsplätze, man wollte in die Köpfe hinein schauen.” Wer in Haft gesessen habe, müsse für immer mit dem Bruch seiner Biografie leben. Juristisch seien die Dinge verjährt, moralisch nicht, seelisch nicht. Jährlich kämen 80 bis 90 Neuanträge, die Stasi-Unterlagen einzusehen. Das Ausmaß der seelischen Zersetzung sei nicht greifbar und kaum justiziabel. Und dennoch: Ein Mann, mit dem er hat sprechen können, hatte zwölf Jahre hinter Gittern verbringen müssen. Dieser konnte der harten Leidenszeit sogar noch etwas abgewinnen. “Ohne uns würde die Mauer heute noch stehen.” Läpple verabschiedet sich mit einem Denkanstoß: “Wie würde ich mich verhalten?” Das müsse jeder überlegen. Sinn und Zweck einer solchen Aufarbeitung sei es, sich zu immunisieren. Das wichtigste Mittel gegen Bespitzelung – sie öffentlich machen. “Ein gutes Gemeinwesen braucht keine Heimlichtuerei. Angst ist das Schmiermittel der Diktatur.”

Von Carola Flügel