Archive for : Januar, 2018

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Vorschlag für weiße Wände

„Alleen/Alleen und Blumen/ Blumen/Blumen und Frauen/Alleen und Frauen/Alleen und Blumen und Frauen und/ein Bewunderer.“ Dieses spanische Gedicht des Bolivianisch-Schweizer Poeten Eugen Gomringer (93) wird getilgt. Die Entscheidung ist gefallen. Das Ende eines monatelangen Kulturkampfes. Ein Kräftemessen, irgendwo zwischen Posse und sehr viel deutscher Prinzipienreiterei. Das Ergebnis: ein postmoderner Bildersturm. Nun werden die Wände übertüncht. Der „Allgemeine Studierendenausschuss“ der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin errang einen Sieg, die Kunst eine Niederlage.

 

Umstrittene Wandpoesie. Das Gedicht von Eugen Gomringer muss weg. Die Entscheidung ist gefallen.

 

Was nun? Kommen nun Gedichte mit Gender-Gerechtigkeit und künstlerischer Korrektheit bis zum letzten Komma? „Sexistische, rassistische oder sonstige diskriminierende Bezüge werden nicht akzeptiert“, heißt es. Die beauftragte Lyrikerin Barbara Köhler ist um ihren Auftrag nicht zu beneiden. Künftig sollen Schichttexte an der Wand der Berliner Hochschule angebracht werden. Gut sicht- und überall lesbar. Politisch korrekt, diskriminierungsfrei und geprüft tugendgerecht. Kunst im Rotationsverfahren. Alle fünf Jahre übermalt.

Was geht da noch? Ich empfehle für einen Schichttext an der Alice-Salomon-Hochschule das Hohelied Salomos. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von zärtlichen, an manchen Stellen hochgradig erotischen Liebesliedern. Es geht um das Suchen und Finden, das Sehnen und gegenseitige Lobpreisen zweier Liebender. Eigentlich um das, was das Leben ausmacht.

 

Egon Tschirch. 1923. Das Hohelied Salomos.Nr. 1

 

Er – Salomo

„Wie schön sind deine Schritte in den Sandalen, / du Edelgeborene! / Das Rund deiner Hüften / ist das Werk eines Künstlers. Dein Schoß ist eine runde Schale, / an Mischwein soll es nicht fehlen! / Dein Leib ist wie ein Weizenhügel / von Lilienblüten umrankt. / Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein, wie die Zwillinge einer Gazelle, die in den Lilien weiden.“

 

Sie – Sulamit

„Seine Schenkel sind Säulen von Marmor, / Gegründet auf Sockeln von Gold. /Sein Aussehen ist gleich dem Libanon, Auserkoren gleich den Cedern. / Sein Mund ist voll Süße; / alles ist Wonne an ihm. / Das ist mein Geliebter, / ja, das ist mein Freund, / ihr Töchter Jerusalems.“

 

Egon Tschirch. 1923. Das Hohelied Salomos. Nr. 8.

 

Diese Gedichte mögen mehrere tausend Jahre alt sein. Sie sind in der Kultur Israels, Ägyptens und des Vorderen Orients verankert. Eine Sprache wie ein Gedicht. „Seine Wangen sind wie Balsambeete, darin Gewürzkräuter sprießen.“ Der Verfasser ist unbekannt. Es soll sich um König Salomo handeln. Zu finden im Alten Testament. Eine einzige poetische Entdeckung – das Hohelied Salomos. Zu eindeutig für die Wand?

Kunst. Kommerz. Retter der Welt

Kunst entsteht im Kopf des Betrachters. Wahre, schöne Kunst gehört genau genommen allen. Sie schmückt die Menschheit, erzählt von ihrer Kraft, Kreativität und Leidenschaft. Ein Kulturgut. Doch gute Kunst ist knapp geworden. Nicht nur Immobilien schießen durch die Decke. Bilder sind längst das neue „Wandgold“ der Reichen und Vermögenden. 450,3 Millionen Dollar kostete vor kurzem das Ölbild Salvator Mundi, Retter der Welt. Eine Machtdemonstration. Schaut her, wem die Welt gehört.

Der unbekannte Investor aus der Golfregion ersteigerte das Bild für den neuen Louvre-Ableger in Abu Dhabi. Vor sechzig Jahren war der Salvator exakt für 45 Pfund zu haben, das sind 51 Euro. Das reicht in den angesagten Restaurants der Welt gerade noch für die Vorspeise. Dabei ist weiter ungeklärt, ob das Werk tatsächlich ein echter Leonardo da Vinci ist. Es gibt genügend Experten, die den Retter der Welt seinem Schüler Giovanni Antonio Boltraffio zuordnen. Wiederum andere sprechen gar von einer Fälschung.

 

Hier der ganze Salvator Mundi. 66 auf 44 cm. Öl auf Holz. Bis heute ist nicht zweifelfrei geklärt, ob der Maler wirklich Leonardo da Vinci ist. Das Werk aus der Zeit um 1500 wird ihm zugeschrieben.

 

Egal. Die Kunst-Society ist von der Echtheit überzeugt. Das genügt. Kunst als Wertanlage, als Prestige- und Spekulationsobjekt. Die Folge: Das Angebot an Klassikern ist ähnlich wie bei Luxusapartments in London, Paris oder Berlin knapp geworden. Da steigen die „Fantasien“ der Anleger ins Unermessliche. Der internationale Kunstmarkt läuft heiß. Das Suchtpotential scheint unbegrenzt zu sein. Auktionator Simon de Pury kommentierte trocken: „Kunst sammeln ist die schönste Krankheit der Welt.“

Beim großen Kunst-Shopping liefern sich reiche Öl-Scheichs, US-Investmentbanker und chinesische Aufsteigerkonzerne ein Wettrennen vor allem um bekannte Klassiker der Vor- und Nachkriegsmoderne.

 

Edvard Munch. Der Schrei.

 

Edvard Munchs malte 1892 seinen weltberühmten „Schrei“ in verschiedenen Varianten mit Öl, Tempera und Pastell auf Pappe. Das Werk wurde vor zwanzig Jahren mehrfach gestohlen. In jüngster Zeit erwarb ein amerikanischer Finanzmanager den Schrei für 120 Millionen Dollar.

Paul Cezannes schuf den „Kartenspieler“ zwischen 1892 und 1896. Das Werk von dem gleichfalls mehrere Varianten existieren, gilt als Ikone der klassischen Moderne. Die Herrscherfamilie von Katar hat das Gemälde für 250 Millionen Dollar erworben.

 

Paul Cezanne. Die Kartenspieler.

 

Pablo Picassos „Les femmes d´Algier“ erzielte 2015 einen Verkaufswert von 180 Millionen Dollar. Der „Liegende Akt“ des Italiener Modigliani wechselte im gleichen Jahr für 170 Millionen Dollar den Sammler. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

 

Pablo Picasso. Led Femmes d`Algier.

 

Kunst macht satt. Ein schöner Traum. Besonders für diejenigen, die Kunst herstellen – die Künstler. Einige profitieren vom Boom. Die allermeisten knabbern am Existenzminimum. In Berlin halten sich derzeit rund siebenhundert Galerien. Dazu geschätzt gut 30.000 Künstler. Die große Mehrheit muss sich mit zwanzigtausend Euro im Jahr bescheiden. Das abgelutschte Bild vom „Über-Lebens-Künstler“ ist kein Klischee. Nur mag kaum jemand darüber offen reden.

Eine Zahl wenigstens ist offiziell: Die Berlin Biennale im Sommer 2018 kann exakt drei Millionen Steuermittel ausgeben, um die sich viele hundert Künstler bewerben. Das Motto der Messe der modernen Kunst: „We don´t need another hero“.

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Blick zurück im Zorn?

Eine berechtigte Frage: Hatte die kleine DDR jemals eine echte Chance? War sie nicht vom ersten Tag an eine Totgeburt? Zum Scheitern verurteilt? Aussichtslos im Wettlauf mit dem ganz großen Geld und angetreten gegen alle Gesetzmäßigkeiten von tausenden Jahren Menschheitsgeschichte: Das einzelne Menschenkind strebt eben nach Glück, Wohlstand und dem eigenen Vorteil. Der Ost-Berliner Fotograf Jürgen Hohmuth gibt mit seinen DDR-Bildern überraschende Antworten.

 

Kollwitzstraße, Ecke Belforter Straße, Berlin, 1983. Alle Bilder: Jürgen Hohmuth.

 

Hohmuths Blick zurück in den Alltag stammt aus dem letzten Jahrzehnt der DDR. Es sind die achtziger Jahre, die bleierne Zeit des VEB-Sozialismus. Die Mauer war unüberwindbar geworden, die Menschen hatten sich arrangiert, alle Versprechen waren abgenutzt. Stillstand. Nichts bewegte sich mehr. Nichts wurde wirklich besser. Wer konnte, ging. Trotz sicheren Jobs, billigen Mieten und dem Anspruch auf soziale Rundumversorgung.

 

Berlin, 1982. Für Insider: Der Mann am Steuer ist nicht Sascha Anderson.

 

Seine Schwarz-Weißbilder erzählen von angehaltener Zeit. Von Langeweile und Leere, von Abhängen, Aufgeben und auch von stillem Aufbegehren. Von Warten auf Godot und größtmöglicher Gottverlassenheit. Das Arbeiter- und Bauernparadies aus der Nahdistanz. Hohmuth ist ein sehr genauer Chronist. Er fotografierte auf Kundgebungen und in Betrieben, vor Geschäften und in Wohnzimmern. So dokumentierte er den schleichenden Untergang einer Menschheitsidee. Am Ende blieben Rituale, billige Rhetorik und trügerische Ruhe.

 

Uftrungen, 1987.

 

„Graustufen“ heißt der neue Fotoband. War alles nur grau? Keineswegs. Die DDR konnte sehr anders und zuweilen ganz schön bunt sein. Einzige Voraussetzung: etwaige Vorurteile mussten bei der Einreise abgegeben werden. Dann konnte der unvoreingenommene Bürger-West Menschen kennenlernen, die lachten und weinten, feierten und fröhlich waren, sich anpassten und auflehnten. Mein Eindruck war: Die meisten wurstelten sich durchs Leben. Ist das heute so viel anders?

 

Dessau, 1989.

 

In „Graustufen“ wetzen vierzig bekannte und unbekannte Weggefährten von Jürgen Hohmuth die Feder. Viele liefern teilweise sehr persönliche Bildbetrachtungen, frei von Pathos und nostalgischen Seufzern. Nicht wenige Autoren kommentieren ihre Geschichten mit einem wissenden Lächeln, angereichert mit einer Portion Selbstironie. So wird zwischen zwei Buchdeckeln ein Land wach geküsst, das es nicht mehr gibt. Ein Land mit einem gewaltigen Planüberschuss an Zeit und Leere, aber auch mit Bier, Bratwurst und deftigen Besäufnissen.

 

Jena, Marktplatz, 1988.

 

Der begnadete Schriftsteller Jurek Becker („Jakob der Lügner“) verließ 1977 entnervt das Honecker-Land und erfand im Westen „Liebling Kreuzberg“. Nach der Einheit schrieb er: Je länger die DDR tot ist, desto schöner wird sie. Ironie der Geschichte: Längst wohnen in den alten Werkhallen und Wohnstuben des Berliner Ostens junge, zugezogene Familien und rendite-fixierte Start-Up-Unternehmer. Die DDR ist abgewickelt. Ihr Versprechen nicht. Es bleibt der Traum von einer gerechteren Welt. Wie der Sozialismusversuch der Väter und Mütter einmal aussah, das zeigt dieser Bildband ungeschminkt und präzise – mit Blicken zurück ohne Zorn. Jürgen Hohmuth. Graustufen. Leben in der DDR in Fotografien und Texten. Braus-Verlag.

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Wer verdient was?

Das große Tabu. Was verdient die Freundin, der Chef oder die nette Kollegin von der Frühschicht? Tja. Wir wissen, dass Frauen im Schnitt gut zwanzig Prozent weniger verdienen als Männer. Aber wie ist es von gleich zu gleich, sozusagen auf Augenhöhe? Es bleibt in der Regel ein großes Geheimnis. Bloß keinen Neid schüren, wiegeln wortstark die Vertreter von Diskretion ab. Bitte Abstand halten. Leistung muss sich lohnen.

 

Der große Traum. Am Ball sein. Sorglos leben. Bewundert werden.

 

Manchmal erfahren wir von einzelnen Eskapaden. Vor einiger Zeit veröffentlichten Medien dank Football-Leaks Gehälter und Prämien von Mitarbeitern der Fußballbranche Ein Torwarttrainer verdient demnach mehr als der Filialleiter einer Bank. Ein einfacher Ersatzspieler kassiert in einer Saison mehr als der Klempner in seinem ganzen Leben. Ein Spielerberater bezieht für einen einzigen Transfer mehr als einem mittelgroßen Krankenhaus für seine Patienten im ganzen Jahr zur Verfügung stehen.

 

Jeder Ersatzspieler im Profigeschäft verdient mittlerweile mehr als ein Fließenleger in seinem ganzen Leben.

 

Der Brasilianer Neymar erhielt für seinen Wechsel von Barcelona nach Paris St. Germain 222 Mio Euro. Ein Spitzenwert. Bleiben wir im Krankenhaus-Vergleich: Nur wenig mehr kostet ein kompletter Neubau in Frankfurt. Jener Fußball-Gott Neymar verfügt über ein Grundgehalt von drei Millionen im Monat. Ein durchschnittlicher Bundesliga-Spieler wie Lewis Holtby vom Krisenclub HSV verdient laut Football Leaks im Monat 291,666,77 Euro. Die Krankenschwester, die ihn nach einer Verletzung pflegen müsste, darf sich mit 2.350,- Euro brutto zufrieden geben.

 

Eine alte Faustformel. Wer mit den Händen arbeitet, wer hilft oder pflegt, muss sich mit kargen Lohn begnügen.

 

Wer etwas leistet, soll sich etwas leisten können, heißt es. Angela Merkel stehen im Monat 25.900,- Euro zu. Jeder deutsche Sparkassenvorstand verdient deutlich mehr. Spitzenkräfte in Hamburg liegen bei 70.000 Euro, die Sparkasse in Köln zahlt ihrem Chef sogar ein Monatsgehalt von über 90.000. Der Direktor regiert zwar kein Land, ist jedoch wer: der Sparkassen-König von Köln.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Keinen Gott verehren moderne Menschen mehr als den Gott des Geldes. Kaum einer hat so intensiv über diesen Gott nachgedacht wie ein bürgerlicher Gelehrter aus Trier. Hoch gebildet aber ständig klamm. Sein Name: Karl Marx. Im Londoner Exil schrieb er einen seiner Bettelbriefe an Freund Friedrich Engels. Er war Fabrikdirektor aus Manchester: „Seit einer Woche habe ich den angenehmen Punkt erreicht, wo ich aus Mangel an den im Pfandhaus untergebrachten Röcken nicht mehr ausgehe und aus Mangel an Kredit kein Fleisch mehr essen kann. Das ist alles nur Scheiße, aber ich fürchte, dass der Dreck einmal mit Skandal endet.“

 

Geld ist das moderne Opium. Macht es abhängig? Oder frei?

 

Karl Marx wurde vor genau 200 Jahren geboren. Er hinterließ auf 900 Seiten sein Kapital. Drei Jahrzehnte hat er daran herumgedoktert. Immer wieder musste er beim Onkel, so hieß der Pfandleiher im Hause Marx, den Gehrock in Papier und Tinte eintauschen. Nun ist sein Werk UNESCO-Welterbe. Im Mai enthüllt Marx Geburtsstadt Trier ein fünf Meter fünfzig hohes Bronze-Denkmal. Das nötige Kleingeld dafür kommt aus Peking, von seinen chinesischen Fans. „Die Anzahl der Neider bestätigt unsere Fähigkeiten“, würde Oscar Wilde anmerken. Ein später Zeitgenosse von Marx, der gleichfalls in London – der Stadt des großen Geldes – sein Glück suchte … und dort auch fand.

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Zufrieden?

Rundum froh und zufrieden? Na? – Wohl kaum. Wer ist das schon? In Bachs kleinem Choral heißt es kurz und bündig: „Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gotte deines Lebens.“ Der Altmeister vertraute auf irdische Demut und eine höhere Instanz. Die meisten Menschen heutzutage haben andere Götter. Exklusive Clubs, Luxus-Resorts, hochgerüstete PS-Boliden oder andere Ersatz-Götter wie Gurus, Crystal Meth oder das Om-Mantra zur Selbstperfektionierung. Mit Bach ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

 

Baton Rouge. USA. Die 27-jährige Krankenschwester Ieisha Evans stellt sich den Sicherheitskräften entgegen. World Press Photo 2017. 1. Preis in der Kategorie Contemporary Issues. Foto: Jonathan Bachman

 

Wie sieht die Welt Anfang 2018 aus? Hunger, Krankheit und Krieg sind zu Beginn des dritten Jahrtausend nahezu besiegt. Es ist gelungen, diese jahrtausendalten Menschheitsplagen „im Zaum zu halten“. Diese These setzt Yuval Noah Harari dem Medien-Mainstream entgegen, der nervös zwischen Verharmlosung und Übertreibung pendelt. In seinem neuesten Buch Homo Deus beschreibt der israelische Historiker folgenden Trend: Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte sterben mehr Menschen, weil sie zu viel essen und nicht weil sie zu wenig haben. 2014 waren mehr als 2.1 Milliarden Menschen übergewichtig, 850 Millionen litten an Unterernährung. 2010 starb rund eine Million Menschen an Hunger, drei Millionen aber an Fettleibigkeit.

 

Menschengier. Das Nashorn muss bezahlen. Hluhluwe Umfolozi Game Reserve, South Africa. World Press Photo 2017. 1. Preis für Naturfotos. „Rhino Wars“ von Brent Stirton, Getty Images for National Geographic Magazine.

 

Terror, Kriege, Kriminalität? Harari kontert: „Coca-Cola ist eine weitaus größere Bedrohung als al-Qaida“ und „Zucker gefährlicher als Schießpulver.“ Die Fakten: Mehr Menschen sterben an Altersschwäche als an ansteckenden Krankheiten. Mehr Menschen begehen Selbstmord als von Soldaten, Terroristen und Kriminellen zusammen getötet werden. Ob in Afghanistan Syrien oder anderswo. Tschechows Gesetz ist folglich für die meisten Erdenbürger längst außer Kraft gesetzt worden: Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, wird es im letzten Akt abgefeuert.

 

Die Welt steht Kopf. Das „Monument“ von Manaf Halbouni. Hommage in Form von drei Bussen an die Menschen von Aleppo, Syrien. Berlin-Brandenburger Tor. 2017.

 

Nach Harari stirbt der Durchschnittsmensch „mit größerer Wahrscheinlichkeit, weil er sich bei MacDonalds vollstopft“ als etwa „durch Dürre, Ebola oder einen Terror-Anschlag “. Die Selbstmordrate sei zudem in wohlhabenden Ländern erheblich höher als in traditionellen Gesellschaften. Was folgt? Die letzten noch nicht erreichten Ziele seien das Streben „nach Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit“. Google forscht konsequenterweise für das ewige Leben und verspricht in Zukunft den Tod zu besiegen.

Schöne Neue Welt. Der Traum von der Unsterblichkeit. Google Life Sciences macht es möglich und nennt sein Medizinforschungsunternehmen Verily. Hier ein Spot:

 

 

Was bleibt? Eine moderne parodoxe Wohlstandsfalle: Je wohlhabender die Menschen, desto unzufriedener sind sie. Harari: „Es bedurfte nur eines Stückes Brotes, um einem hungernden mittelalterlichen Bauern Freude zu bereiten. Womit aber macht man einem gelangweilten, überbezahlten und übergewichtigen Ingenieur eine Freude?“

An einem Schuppen auf einem abgewrackten Güterbahnhof hat der 87-jährige Berliner Aktionskünstler Ben Wagin ein Schild angenagelt. Dort steht: „Nicht der ist reich, der viel hat, sondern der wenig braucht.“