Archive for : Januar, 2019

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Geben Sie Gedankenfreiheit!

 

Er wollte kein Fürstendiener sein. Er war stolz und unbeirrbar. Der Malteser-Ritter Marquis von Posa. Keiner, der katzbuckelte, sich wendete oder anpasste. Eine Kunstfigur? Genau genommen ja. Friedrich Schiller schrieb seinen berühmten „Don Carlos“ von 1783 bis 1787. In seinem Drama ließ er den Marquis vor den spanischen König Philipp II. treten. Er klagte den Herrscher der Unterjochung Andersdenkender und Inquisition an. Er fiel auf die Knie und forderte: „Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!“

Philipp II. König von Spanien. Mächtiger Mann der Inquisition. (1527-1598)

Zwei Jahre nach der Uraufführung von Don Carlos in Hamburg im Jahre 1787 erhoben sich die Franzosen zur Revolution. 1789 änderte sich in Europa alles. Die Despotie wurde gestürzt. Es schien, als fielen die Worte des Romantikers Schiller aus Marbach am Neckar auf fruchtbaren Boden. Dabei hatte der Jungdichter einen hohen Preis für seine Unabhängigkeit zu bezahlen. Im Alter von 23 Jahren musste er seine Heimat verlassen, flüchtete ins liberale Baden, erhielt später bei Freunden in Thüringen Asyl.

Schiller war davon überzeugt, dass Verstand und Gefühl zusammengehören. Das Theater müsse in seinen Stoffen und Charakteren den Fürsten – also den damals Mächtigen – ein Bild der wirklichen Lebensumstände nahebringen. Die Kraft des Theaters. Schiller: „Hier nur hören die Großen der Welt, was sie nie oder selten hören – Wahrheit; was sie nie oder selten sehen, sehen sie hier – den Menschen.“

Urfassung Don Carlos. 1787.

Geben Sie Gedankenfreiheit – ein geflügeltes Wort. Es gibt viele Herrschenden auf der Erde, die am liebsten sogar Gedanken unter Zensur stellen würden. Tatsächlich ist das Recht, die eigene Meinung öffentlich zu äußern, längst wieder ein Risikofaktor geworden. Meinungs- und Presse-Freiheit sind auf dem Rückzug. Deutschland gehört – bei aller Kritik – zu den wenigen Inseln einer geschützten Gedanken- und Meinungsfreiheit. Das war nicht immer so und muss keineswegs so bleiben. Zwei Diktaturen in einem Jahrhundert – braun und rot –  versuchten die Freiheitsrechte gewaltsam zu ersticken.

Friedrich Schiller: Don Carlos, Infant von Spanien – Kapitel 16

Marquis „Ein Federzug von dieser Hand, und neu
Erschaffen wird die Erde. Geben Sie
Gedankenfreiheit. – (Sich ihm zu Füßen werfend.)

König (überrascht, das Gesicht weggewandt und dann wieder an den Marquis geheftet).
                Sonderbarer Schwärmer!“

1937 gab das Deutsche Theater in Berlin Schillers Don Carlos. Der damals populäre Bühnen- und Filmschauspieler Ewald Balser spielte leidenschaftlich den Marquis von Posa. Für seinen Satz „Geben Sie Gedankenfreiheit“ erntete Balser minutenlangen offenen Szenenapplaus. Propagandaminister Goebbels, der Hausherr des Deutschen Theaters, wurde informiert. Er entschied: „Weiterspielen lassen!“ Mit den Beifallsstürmen sei doch der Despot Philipp II aus Schillers Drama gemeint. Das Stück wurde – entgegen der Legendenbildung – nicht abgesetzt, sondern weitere 39 Mal aufgeführt – bis das Theater und Berlin in Schutt und Asche versanken.

2019 garantiert uns das Grundgesetz Gedanken-, Meinungs- und Pressefreiheit. Woran es mangelt? Der ewige Spötter Karl Kraus wüsste eine passende Antwort: „Die Gedankenfreiheit haben wir. Jetzt brauchen wir nur noch die Gedanken.“

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Goldgiganten

 

Gold macht Menschen süchtig. Möglicherweise mehr als schnelle Autos, teure Reitpferde, schnittige Luxusyachten oder elegante Traumvillen am See. Gold ist seit Jahrtausenden Sinnbild für Macht, Reichtum und Überlegenheit. Gold ist fast überall auf der Welt letzte Sicherheit und eiserne Reserve. Gold kann auch als Zusatzstoff für Lebensmittel verwendet werden. Die schnöde Abkürzung klingt wenig appetitlich E175.

 

Seit kurzem wissen wir, dass Gold auch als Veredelung für ein schickes Dinner dienen kann. Nichts für Genießer aber geeignet für Menschen, die Aufmerksamkeit brauchen: Schaut mal, ich kann mir das leisten. Motto: Lieber Goldsteaks als Goldbroiler. Für alle Nachgeborenen: Goldbroiler war die DDR-Variante des Masthänchens, nur ohne Blattgold. Fußball-Millionär Franck Ribery, kurz vor dem aktiven Ruhestand, erfüllte sich einen Traum. Und wusste genau: Gold glänzt nicht ohne Licht.  Deshalb postete er munter sein Prachtstück in die Welt hinaus.

Gold machte auch einen Berliner Wachmann glücklich. Von einem Tag auf den anderen konnte er sich ein 11.000 Euro feines Goldkettchen leisten – trotz seines schmalen Security-Verdienstes. So lebte er stolz den Traum vom goldenen Schlaraffenland. Schaut her, ich bin ein goldener Prinz. Dummerweise lenkte sein Kettchen pfiffige Ermittler auf eine heiße Spur. Sie führte schnurstracks zu den Goldräubern von der Berliner Museumsinsel. Jener Wachmann hatte im Frühjahr 2017 der Diebesbande Tipps geliefert, wie und wo die größte Goldmünze der Welt am leichtesten ihren Besitzer wechseln kann.

1 oz Maple Leaf Gold.

Der spektakuläre Raub der Zwei-Zentner-schweren Münze mit dem schönen Namen Big Maple Leaf (Großes Ahornblatt) flog auf. Das kleine Kettchen ist ein glänzendes Detail beim wohl größten Goldraub der letzten Jahre. Die jungen Räuber, die allesamt einem geschäftstüchtigen arabischen Clan angehören, sitzen derzeit auf der Anklagebank.

Doch ihre eroberte und mühsam weggekarrte 100-Kilogramm-schwere Münze – präsentiert in der Ausstellung Goldgiganten – ist und bleibt verschwunden. Ob versteckt, zerteilt oder gar eingeschmolzen, das wissen nur die Räuber selbst. Reden ist Silber. Schweigen ist Gold. Und doch: Das Goldstück hat ein Stück seines Glanzes verloren. Denn das weiß nun ein jeder Glückssucher – ob Fußballer, Wachmann oder Clanmitglied: Gold glänzt nicht ohne Licht.