Das Wunder von Wilmersdorf

Berlin ist Corona-Sperrzone. Berlin hat den Klimanotstand ausgerufen. Berlin taumelt zuverlässig und manchmal selbstverliebt von Krise zu Krise. Und doch geschehen Zeichen und Wunder. Am 18. März 2020 gegen 12 Uhr 20 fuhr ein mit Jungbäumen beladener LKW vor. Entschlossen packten mehrere Männer an und hievten mit Hilfe eines Krans einen dünnen, aber ambitionierten Spitzahorn auf die verwaiste Fläche vor unserem Haus. Sie pflanzten einen Baum! Unfassbar. Ein kleines Wunder.

 

Der Neue grüßt. Ein Spitzahorn, gepflanzt mitten in Corona-Zeiten.

 

Potzblitz! Donnerwetter! Stockschwerenot! Was ist nur passiert? Wie ist das möglich? Egal. Was zählt sind Glücksmomente und Gänsehaut-Gefühle. Es ist geschehen. Es geht doch! Nach exakt 895 Tagen Warten, Bitten, Fluchen und Hoffen, nach einem Dutzend Protestbriefe, mal kämpferisch, mal ironisch, mal resignativ, nach unzähligen Telefonaten ließ die zuständige Senatsverwaltung tatsächlich einen Ersatzbaum pflanzen. Nun muss der kleine Straßenfeger nur noch kräftig wachsen.

Nur zur Erinnerung. Das Sturmtief Xavier brauste am 5. Oktober 2017 in wenigen Minuten über Berlin hinweg. Der Orkan mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 140 Stundenkilometern erwischte auch unseren kräftigen Ahornbaum. Er knickte ächzend und stöhnend geradezu wie in Zeitlupe auf den Mazda unserer Nachbarin. Niemand wurde verletzt. Gott sei Dank! Sie war zwanzig Minuten zuvor ausgestiegen. Dann blieb die Fläche genau zwei Jahre und sechs Monate eine Hundeauslauf – und -Abwurfstelle.

 

5. Oktober 2017. Orkan Xavier legte „unseren“ Hausbaum gezielt auf das Auto unserer Nachbarin. Unsere Räder blieben verschont.

 

Mitten in der Corona-Krise setzt das kleine Bäumchen nun ein kleines Zeichen. Lasst die Hoffnung wachsen. Wie heißt es bei Max Frisch: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“  Zum guten Schluss muss das jetzt ausnahmsweise einmal sein: Allen Spendern und namentlich Susanne Lippert von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sei herzlich gedankt. Die Senatsmitarbeiterin war die Einzige in der Verwaltung, die mit Heiterkeit und Zuversicht unser Projekt unterstützte. Stadtbäume spenden geht übrigens nach wie vor. In Berlin sind allerdings – wie zu sehen – viel Geduld und ein verdammt langer Atem nötig. Anyway. Das Ergebnis zählt.

 

*** Aktualisierung  24. März 2020 ***

Mittlerweile wurde der Ahornbaum auch ordentlich eingehaust. Dabei erhielt der Baum eine Plakette: „Stadtbaum gespendet von Thea & Andrea 2020.“ Also zu früh gefreut: Das ist doch nicht unser Baum, auch wenn er jetzt vor unserem Haus steht. Ohne Posse kann diese Geschichte einfach nicht enden. Ich bleibe weiter dran und versichere allen Spendern, dass wir einen Ersatzbaum pflanzen werden. Irgendwo, irgendwie, irgendwann.

Fortsetzung folgt.

 

Der neue „Stadtbaum – gespendet von Thea & Andrea“

post image

Die Quittung?

Die Zeugen Jehovas stehen in doppelter Personal-Stärke am Bahnhof Friedrichstraße. Entschlossen und stumm halten sie ihren „Wachturm“ den Vorbeieilenden ins Gesicht. Doch kaum einer der Berlinerinnen und Berliner schaut auch nur auf. Dabei haben die Zeugen Jehovas in diesen Tagen richtig Rückenwind. Sie sagen: „Liebe Brüder, wir sind nun absolut sicher, dass Jehova den Corona-Virus dazu bestimmt hat, Harmagedon zu starten. Aus diesem Grund empfehlen wir Euch mit sofortiger Wirkung alle Spenden an die Organisation einzustellen, wir brauchen kein Geld mehr. Matth. 6:19.“ Nun kommt also das große Finale.

Die Erlösung von allem Bösen. Denn, so ihr Originalton: „Aus der Bibel wissen wir, dass Seuchen ein auffallendes Merkmal der letzten Tage sind (Lukas 21:11). Breitet sich eine Krankheit aus, ist es vernünftig, Schutzmaßnahmen für sich und andere zu ergreifen (Sprüche 22:3).“ Schützen. So viel Realitätssinn ist folglich erlaubt.

 

Schutz. Erlösung. Rettung. Die Heilsbringer aller Schattierungen sehen ihre Stunde gekommen. Denn nun heißt es: Halt auf freier Strecke. Die Dauer-Happy-Hour-Party ist vorbei. Ist die Gesellschaft außer Kontrolle? Nein. Noch lange nicht. In diesem Fall Gott sei Dank. Aber es dämmert, dass der Knopfdruck-Amazon-Kapitalismus an sein Limit geraten ist. Unsere Wohlstandskette ist gerissen, die da lautet: Auswählen. Bestellen. Liefern lassen. Konsumieren. Bei Nichtgefallen zurückschicken.

Die Globalisierung frisst ihre Kinder. Verhandelt wird das Ende der bequemen Sofa-Mentalität in den Komfortzonen dieser Welt. Was folgt, ist nahezu logisch. Panikkäufe, Hamstern, Schuldzuweisungen. Im großen Ringen um die Lufthoheit über unser Denken, Fühlen, Handeln heißt es: Schuld sind wahlweise die Chinesen, Russen, Europäer oder Amerikaner. Je nach Lesart und Standort.

 

Mutmacher-Songs. Musik hilft. Musik heilt. Eine kleine Auswahl.

 

Selbstverständlich hat unsere Angst einen harten, berechtigten, finsteren Kern. Die Corona-Seuche ist – noch – nicht kontrollierbar. Sie macht, was sie will. Sie kann jeden treffen, wie im letzten Krieg die Bomben, die vom Himmel auf Städte und Dörfer, Paläste und Hütten fielen. Kein Luftschutzbunker war sicher genug. Heute ist die Lage noch komplizierter: Viren sind nicht zu sehen, nicht zu hören oder zu fühlen. Sie können uns auf jedem Weg erreichen. Über den Partner, die Familie, den besten Freund oder meinetwegen auch den Lieblingsfeind.

Der Virologe Alexander Kekulé stellte folgende Corona-Formel auf: „Ein Kind, das irgendwo in der Schule sitzt und als Corona-Fall nicht erkannt wurde, hat in acht Wochen ungefähr 3000 Personen infiziert. Das können Sie ganz einfach nachrechnen. Etwa 0,5 Prozent sterben, das bedeutet wegen einem nicht entdeckten Kind sterben etwa 15 Menschen.“ Jede und jeder kann die Corona-Fracht weitertransportieren. Noch ein Beispiel aus der Praxis: Vor der Schließung, dem großen Shutdown in Berlin infitizierte ein ahnungsloser Corona-Träger im Club Trompete weitere 16 von 48 Gästen. War die Party so wild? Sie werden doch nicht alle aus einem Glas getrunken haben?

 

 

Was tun? Klar. Händewaschen. (Beim Waschen 2mal „Happy Birthday, verfluchter Virus“ singen; das reicht). „Sozialkontakte“ meiden. Ruhig bleiben. Aber es geht um mehr: zum ersten Mal sind wir bei diesem Stresstest ganz auf uns selbst zurückgeworfen. Das ist, ehrlich gesagt, eine große Chance. Wir können allen Ballast abwerfen, uns auf das Wesentliche konzentrieren. Nachbarn, Kranken und Schwachen helfen, Garten pflegen, Wohnung renovieren, Bücher lesen, wunderbare Lieder hören. Das bloße Hören von Lieblingssongs hilft, das ist wissenschaftlich belegt. Musik zielt direkt auf das limbische System im Gehirn. Dort werden sämtliche Gefühle gesteuert. Mutmacher-Musik macht die Angst in extremen Zeiten kleiner, gibt Halt. Ganz ohne Nebenwirkungen übrigens.

 

Scheitern als Chance

„Das Echte suchen, das Falsche demaskieren.“ Oder: „Inszenieren, um das Inszenierte offenzulegen.“ Das sind Sätze Marke Christoph Schlingensief. Merkwürdig. Er ist mittlerweile seit zehn Jahren tot, doch seine Arbeiten sind lebendiger denn je. Seine  stets umstrittenen Inszenierungen lagen einfach ein paar Schritte zu weit in der Zukunft. Der Theatermann war seiner Zeit voraus. Schlingensiefs Botschaft: Probiert Euch aus. Scheitern gehört dazu. Es ist eine Chance. Ein neuer Dok-Film von Bettina Böhler, zwei Stunden und zehn Minuten lang, erinnert nun an den Visionär aus Oberhausen: Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien.

 

 

Schlingensief hatte mindestens sechs Leben. Mit der Super-8-Kamera seines Vaters hielt er die Wirtschaftswunder-Bundesrepublik fest. So dokumentierte er als Teenager sein Elternhaus. Das war zutiefst staatstreu, katholisch, rheinländisch. Vater Apotheker, Mutter Krankenschwester. Er scheiterte an der Filmhochschule, um danach richtig loszulegen. Er inszenierte (sich) als Bürgerschreck, brachte als Neuling mit 100 Jahre CDU einen Aufreger auf die Berliner Volksbühne.

Der Autodidakt tanzte nackt in der U-Bahn, karikierte Mainstream-Talkshows, trommelte in brandenburgischen Dörfern für seine Partei Chance 2000. Das Resultat: 180.000 DM Steuerschulden. Im „Deutschen Kettensägenmassaker“ nahm er früh das bis heute lähmende Ost-West-Mißtrauen aufs Korn. Nichts hielt ihn auf. 2007 inszenierte er Wagners Liebestod-Drama Parsifal auf dem Grünen Hügel. Der anarchische Bürgersohn Schlingensief in Bayreuth. Mehr geht nicht in diesem Lande.

 

Premiere auf der Berlinale. Ab Anfang April 2020 im Kino.

 

Keine Frage. Schlingensief stellte sich stets in den Mittelpunkt. Unermüdlich inszenierte er sich als Tabubrecher. Teilte aus, provozierte, steckte ein. Kritiker warfen ihm kindlichen Klamauk vor. Er sei ein selbstverliebter Theaterclown. Ich erlebte ihn in meiner aspekte-Zeit anders. Ernsthaft, an Erkenntnis und Ergebnissen interessiert. Als er 2003 Hamlet am Schauspielhaus Zürich inszenierte, besetzte er den rachsüchtigen Herrscher mit einem Neo-Nazi-Aussteiger. In Freak Star 3000 ließ er 2004 einen geistig Behinderten den damaligen FDP-Chef Jürgen Möllemann spielen. Ein Körperbehinderter übernahm die Rolle seines Kontrahenten Michel Friedman. Schlingensiefs Antwort auf das offizielle Polit-Theater. Moralisten mäkelten, er betreibe Missbrauch mit Abhängigen. Ich kann mich gut erinnern. Die Darsteller liebten Schlingensief und das Stück.

Schonung war für ihn ein Fremdwort. Er nahm sein Leben als Material, am Ende auch seine Krankheit. Er stellte sein Krebsgeschwür öffentlich aus – bis an die Schmerzgrenze in der Kirche der Angst (2008). Was bleibt? Das Operndorfprojekt in Burkina Faso, das seine Witwe Aino Laberenz weiterführt. Und die Erkenntnis, dass er ein Ausnahmekünstler war, im Gelingen wie im Scheitern. Schlingensief starb 2010 im Alter von 49 Jahren. Der Dokumentarfilm von Bettina Böhler lässt ihn zumindest auf der Leinwand wieder lebendig werden. Was für eine atemberaubende Wiederbegegnung!  Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien. Kinostart: 2. April 2020.

post image

Alles perfekt

„Sein oder nicht sein/Frei oder nicht frei/Kriechen oder nicht kriechen/F**k all diese perfekten Leute!“ Lakonisch, leise und mit lebenskluger Leichtigkeit setzt Chip Taylor allen perfekten Menschen dieser Welt ein Denkmal. Das Lied ist millionenfach geklickt worden. Aber wer ist dieser Chip Taylor? Auf den ersten Blick ein wenig bekannter New Yorker Songschreiber. Einer, der für die Netflix-Serie „Sex Education“ diesen Hit geschrieben hat. Also einer von den vielen Talentierten, die es nicht ins Rampenlicht geschafft haben?

 

 

Auf den zweiten Blick ist Chip Taylor ein alter weißhaariger Mann, der in den nächsten Tagen die Achtzig vollendet. Ein Songschreiber mit intensiven achtzig Lebensrunden. Sein richtiger Name ist James Wesley “Wes” Voight. Aber Voight lässt sich im Musikbusiness schlecht aussprechen und noch schlechter merken. Das meinten die Plattenbosse vor vielen Jahrzehnten, als er von der großen Karriere träumte. Also wählte er seinen Spitznamen Chip und klebte noch ein Taylor dran. Passt doch? Chip Taylor.

 

 

In seiner langen Musikerlaufbahn schrieb er seit 1958 (mein Geburtsjahr) große Hits – für andere. Wild Thing oder Angel of the morning. Bekannte Musiker sahnten den Rahm ab. Sein Try just a little bit harder interpretierte Janis Joplin vorzüglich. Wild Thing wirbelten die Troggs auf die Bühne und veredelte Jimi Hendrix. Verdammt lang her. Chip hatte seine produktivsten Jahre in den Sechzigern. Nach ganz vorne schaffte er es nie. Vielleicht wollte er es auch nicht. Als seine Mutter starb, zog er sich viele Jahre zurück.

 

 

Seit einiger Zeit zieht es ihn wieder auf die Bühne. Dann erzählt er mit stillen, warmen, melancholischen Liedern vom Hoffen und Scheitern. Vom kleinen und großen Glück. Für all die vielen nicht so perfekten Menschen. Für alle die nicht im Rampenlicht stehen. Die man so leicht übersieht. Chip Taylor hat in seinen Liedern viel zu sagen. Man hört ihm gerne zu, diesem alten weißen Mann aus New York City. Im April gibt er ausnahmsweise zwei Live-Konzerte in Europa. Am 20. April 2020 in Eindhoven und am 23. April in Utrecht. Der Mann, der uns Wild Thing und viele andere berühmte Songs geschenkt hat. Lieder, von denen wir nicht wissen, dass sie von ihm sind.

 

post image

Von guten Mächten

„Gefangener Bonhoeffer, fertig machen, mitkommen!“ Am frühen Morgen des 9. April 1945 muss sich der Delinquent nackt ausziehen. Tod durch Strang, lautet das Urteil, auf persönlichen Befehl des „Führers“. Im Hinrichtungshof des bayrischen Konzentrationslagers Flossenbürg ist in der Ferne bereits der Geschützdonner der heranrückenden 3. US-Army zu hören. Der Gefangene Dietrich Bonhoeffer, Theologe, 39 Jahre alt, ist auf seinem letzten Weg. Verurteilt von einem Standgericht ohne Verteidigung, Zeugenanhörung, Gerichtsprotokoll. Die letzten Minuten. Ein qualvoller Tod. Die Hinrichtung soll sich in „einer abstoßender Szene“ vollzogen haben. Seine letzte Worte: „Das ist das Ende. Für mich aber der Beginn des Lebens“.

 

Ulrich Tukur spielt Dietrich Bonhoeffer. Die letzte Stufe. (2000)

 

Nur wenige Menschen haben ihr Leben so konsequent in den Dienst ihrer Überzeugung gestellt – und ihres Glaubens. Bonhoeffer, Sohn einer großbürgerlichen Breslauer Arztfamilie, nahm seinen Glauben ernst. Er lebte ihn, sah 1933 die Pflicht den mörderischen NS-Wahnsinn zu stoppen, „dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“, wie er ausführte. Er spürte: Beten alleine reicht nicht mehr. So unterstützte er aktiv die Widerstandsgruppe um Abwehrchef Admiral Canaris und den Juristen Hans von Dohnanyi. Der Pfarrer wusste vom Attentat am 20. Juli 1944. Für seine Haltung nahm er alle Konsequenzen in Kauf.

Am 5. April 1943 verhafteten ihn die Nazis wegen „Wehrkraftzersetzung“. Zuerst wurde er in Tegel inhaftiert, ab Ende Oktober 1944 im Keller des Gestapo-Hauptquartiers in der Prinz-Albrecht-Straße – als persönlicher Gefangener Hitlers. Am 19. Dezember 1944, wenige Tage vor Weihnachten, schrieb er einen Brief an seine zwanzigjährige Verlobte Maria von Wedemeyer. Darin enthalten ein Gedicht, das sein Leben in wenigen Zeilen auf den Punkt bringt. Von guten Mächten wunderbar geborgen…

 

„Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.“

 

„Von guten Mächten“. Auszug Brief Dietrich Bonhoeffers an seine Verlobte Maria von Wedemeyer vom 19. Dezember 1944.

 

Maria schrieb das Gedicht ab, um es vor den Häschern in Sicherheit zu bringen. Sie antwortete: „Deine Worte sind wie eine offene Hand, die ich anfassen und an der ich mich festhalten kann.“ Bonhoeffer, so seine Weggefährten, sei kein weltfremder Frömmler gewesen. Im Gegenteil. Er habe mitten im Leben gestanden.

Für mich ist er ein Vorbild, obwohl ich nicht weiß, ob ich jemals seinen Mut teilen könnte. Das Glück meiner Nachkriegs-Generation ist, dass uns solche Prüfungen bisher erspart geblieben sind.

 

 

Hinrichtungsstätte KZ Flossenbürg/Oberpfalz. Heute Gedenk- und Lernort.

 

Noch eine bittere Pointe: SS-Hauptstandartenführer Walter Huppenkothen hatte am 8. April 1945 für kurzen Prozess gegen Pastor Bonhoeffer gesorgt. Er blieb der einzige Staatsanwalt des Dritten Reichs überhaupt, der von der bundesdeutschen Nachkriegsjustiz für seine Taten verurteilt wurde. Drei Jahre musste er verbüßen. Die anderen beteiligten Richter und Beisitzer sind nie belangt worden. Erst in den späten neunziger Jahren wurden die NS-Unrechtsurteile von Flossenbürg für null und nichtig erklärt. Familie Bonhoeffer hatte bis dahin keinen Cent Entschädigung erhalten.

 

 

post image

Lucky Man

Die Ballade handelt von einem Mann, der alles hat: Reichtum, Pferde, Frauen. Er regiert sein Land wie ein König. Dann zieht er in den Krieg und stirbt. All sein Reichtum nutzt ihm nichts. Komponiert hat das Lied der Bassist Greg Lake (1947-2016 Ex King Crimson). Lucky Man war der größte Erfolg des britischen Trios Emerson, Lake & Palmer. Ihr Ohrwurm brach 1970 auf, um die Welt zu erobern. Der Clou: Keith Emerson setzte als erster Pianist den Moog Synthesizer ein und zog buchstäblich alle Register.

 

 

Lucky Man

He had white horses

And ladies by the score

All dressed in satin

And waiting by the door

Oh, what a lucky man he was

 

White lace and feathers

They made up his bed

A gold covered mattress

On which he was laid

Oh, what a lucky man he was

 

He went to fight wars

For his country and his king

Of his honor and his glory

The people would sing

Oh, what a lucky man he was

 

A bullet had found him

His blood ran as he cried

No money could save him

So he laid down and he died.

 

 

ELP. Die Supergroup der Siebziger. Eigentlich sollte Jimi Hendrix in die Band mit einsteigen. HELP hieß folgerichtig das Projekt. Daraus wurde nichts. Hendrix starb im September 1970. So entwickelte die Band als Trio ambitionierten Progressive Rock – den Sound der Siebziger. Klassik, Rock und Pop wurden munter gemischt. Aufgepeppt mit den Möglichkeiten des Synthesizers. ELP komponierte eigene Werke wie Tarkus und adaptierte Klassiker von Johann Sebastian Bach, Bela Bartok oder die Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgski.

 

Die Band neigte zur Gigantonomie. Alben und Konzerte wurden immer aufwändiger, größer, teurer. Das musste schief gehen. Das Trio zerstritt sich, fand wieder zusammen, trennte sich erneut. Die beiden Alpha-Männer Keith Emerson und Greg Lake fanden keinen gemeinsamen Nenner. Ende der neunziger Jahre organisierte Pianist Keith sein Solo-Comeback mit einem Handicap. Eine schwere Nervenerkrankung an der rechten Hand schränkte seine Möglichkeiten ein. Tapfer kämpfte er dagegen an. Doch irgendwann muss er seinen Lebensmut verloren haben. 2016 starb er wie sein Held Lucky Man. A bullet had found him. Er legte selbst Hand an. Oh, Lucky Man.

 

 

 

„Krieg in meinem Kopf“

Beth Hart gibt Konzerte ohne Handbremse. Ohne Playback. Ohne Schnickschnack. Sie geht bis an ihre Schmerzgrenze und manchmal weit darüber hinaus. Herz und Seele trägt sie offen auf der Zunge. Ihre Stimme ist voller Gefühl und Gebrochenheit, gereicht Janis Joplin oder Tina Turner zur Ehre. In die Logik der Unterhaltungsbranche mit ihren gecasteten Sternchen und Hochglanzprodukten passt sie eigentlich nicht rein: die US-Sängerin Beth Hart. Sie geht einen anderen Weg. Sie will ehrlich bleiben – zu sich und ihrem Publikum. Auf der Bühne ackert, rackert und sie bis zum Umfallen. Immer am Limit. Beth ist die weibliche Antwort auf Joe Cocker. Blues vom Feinsten. Mit einer Röhre zum Niederknien.

Beth hat ihr neuestes Album „War In My Mind“ genannt. Krieg in meinem Kopf. Es ist eine Begegnung mit ihren Dämonen, mit wunderbaren Höhepunkten und schmerzhaften Niederlagen. Auf und hinter der Bühne. Eine Frau, die alles gibt aber genauso schnell wieder verliert. Für sie gilt der alte Spruch vom Himmelhochjauchzend zu Tode betrübt. Beth: „Mein innerer Heilungsprozess hat sehr lange gedauert, doch inzwischen fühle ich mich mit meiner dunklen Seite, meiner Verrücktheit und den Dingen, für die ich mich so lange schämte, sehr wohl.“

 

 

Beth kam 1972 in Los Angeles zur Welt. Bereits mit vier Jahren lernte sie Klavier spielen. Doch statt Vorstadt-High-School-Karriere schwänzte sie lieber die Schule und folgte ihrem eigenen Weg. Blues, Rock and Rock´n Roll. Der Absturz folgte auf dem Fuß. Too much Alkohol, Sex und Drogen. Von allem zu viel. Sie ist 24 als sie ihr Debütalbum „Immortal“ vorlegt. Beth ist 27 Jahre, genauso alt wurde Janis Joplin, als sie in ihrem zweiten Album „Screamin‘ For My Supper“ (1999) ihr Drogen- und Alkoholproblem offen legt. Der abgefahrene „LA-Song“ wird zum Kult-Song der alternativen Szene .

 

 

2011 veröffentlicht sie das erste Album gemeinsam mit Gitarren-Größe Joe Bonamassa. Ihr Durchbruch. Nun folgt nahezu jedes Jahr ein Album, zuletzt 2019 War in my mind. Sie jammt mit Jeff Beck oder anderen Blues- und Rockgrößen. Es sind Live-Konzerte, die unter die Haut gehen, weil Beth bis zur völligen Erschöpfung geht. Sie covert mit Whole Lotta Love einen Klassiker von Led Zeppelin oder Nutbush City Limit von Tina Turner. Sie veredelt Blues-Songs wie I`d rather go blind oder Caught out in the rain (2012). In ihrem jüngsten Album Krieg in meinem Kopf fällt auf: Immer wieder dankt sie ihrer Mutter, ihrem Mann, ihrer Band und ihrem Manager. Ohne sie hätte sie den völligen Absturz nicht überlebt.

 

 

Musik ist ihr Leben. Eine beliebte Plattidüde. Doch das Verrückte ist, bei ihr trifft diese abgedroschene Wendung exakt ins Schwarze. Sie lebt ihre Songs. Vor allem live auf der Bühne. Sie lässt ihre Kerzen an beiden Ende brennen getreu dem alten Motto: Gute Mädchen kommen in den Himmel. Böse überall hin.

 

 

Beth Hart ist im kommenden Sommer und Herbst im Rahmen ihrer Welt-Tournee auch in Deutschland zu sehen und vor allem zu hören. Unter anderem am 31. Juli 2020 in Leipzig und am 2. November 2020 im Berliner Tempodrom . Hingehen. Es lohnt sich.

post image

„Gutes tun“

Keine schlechte Idee. Gutes tun. Noch besser: „Im Verborgenen Gutes tun!“ – Das verheißt eine Imagekampagne des Verfassungsschutzes. Die Geheimdienstler suchen qualifizierten Nachwuchs. Festanstellung, Verdienst, Rente – alles gesichert. Um dann Gutes zu tun. So das Versprechen einer Behörde, die über 3.500 Mitarbeiter und einen Etat von 422 Millionen Euro hat. Zum Vergleich: Den obersten Verfassungsschützern, also dem Bundesverfassungsgericht, der zum Beispiel auch Missstände des Verfassungsschutzes notfalls auszubessern hat, stehen rund 31 Millionen Euro zur Verfügung. Die Personalausstattung: 16 Richter und 64 Mitarbeiter.

 

Werbekampagne. Bundesamt für Verfassungsschutz.

 

Wenn Michael und Elisabeth Buback an die verborgenen Verfassungsschützer denken, wird ihnen wenig wohl ums Herz. Seit vielen Jahren kämpfen die Bubacks um Aufklärung und Wahrheit. Sie wollen wissen: Wer waren die Mörder ihres Vaters? Wer erschoss Siegfried Buback, den Generalbundesanwalt in Karlsruhe? Wer feuerte am 7. April 1977 die tödlichen Schüsse ab – auf ihn und seine beiden Begleiter? Nach über fünfzig Jahren Vertröstungen und Verdrehungen glaubt das Ehepaar aus Göttingen an nichts mehr. Jedenfalls nicht in der Strafsache Buback, erschossen durch RAF-Terroristen.

Was hat das Attentat auf Buback mit dem Verfassungsschutz zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Die RAF feierte die Exekution als großen Erfolg. Tenor: „Der General muss weg!“ Bis heute schweigen die Täter. Staatliche Stellen hingegen mauern oder ducken sich weg. Die Bubacks (ver)zweifeln. Das Einzige was in diesem komplizierten Fall passt, ist der Mantel des Schweigens. Denn es besteht der begründete Verdacht, so die Bubacks, dass die wahre Attentäterin Verena Becker war, eine V-Person des Kölner Verfassungsschutzes. Die Bilanz nach zwei Prozessen. Es wurden die falschen Täter verurteilt. Die Wahrheit blieb auf der Strecke. Nichts wurde geklärt.

 

Siegfried Buback. (1920-1977) Foto: Michael Buback

 

Auch 2020 gibt es mehr Fragen als Antworten.

Wer sind die Mörder von Generalbundesanwalt Siegfried Buback?

Welche Rolle spielten Dienste, V-Leute und V-Mann-Führer?

Warum wurden Beweise/Dokumente/Spuren vernichtet, vertuscht bzw. ignoriert?

Warum besteht so wenig Interesse die Mörder von Generalbundesanwalt Buback zu finden?

Warum wurden in Stammheim nicht beteiligte RAF-Mitglieder verurteilt?

Warum hat der Bundesanwalt im Stuttgarter 2010er Nachfolge-Verena-Becker-Prozess eher die Verteidigerrolle der Angeklagten als die eines Anklägers vertreten, so Michael Buback?

Weshalb wurden Augen- und Belastungszeugen kaum beachtet bzw. die Hauptzeugin des Attentats in der Verhandlung von Stuttgart 2010 regelrecht vorgeführt?

Was waren die Gründe für das milde Urteil wegen Beihilfe für die Tatverdächtige Verena Becker?

Was haben staatliche Stellen aus dem Aufklärungs-Desaster des Buback-Attentats gelernt?

 

Zu Besuch in Göttingen. Seit 2007 versucht der Chemie-Professor Michael Buback die Wahrheit über den Tod seines Vaters und der beiden Begleiter Wolfgang Göbel und Georg Wurster herauszufinden. Foto: Heinz Kerber

 

Für Familie Buback bleibt die Welt aus den Fugen. Für sie geht der Schrecken weiter. Elisabeth Buback, Lehrerin im Ruhestand, sagt, es gehe ihr um „Vertrauen in staatliche Institutionen und um unseren Schutz vor Terrorismus.“ Ihr Mann, der Chemiker Michael Buback, sieht im Ermittlungsvorgehen einen „Verrat“ an seinem Vater und seinen beiden Begleitern „aber auch an allen Bürgern, die eine Aufklärung schwerer Verbrechen erwarten“.

Alles weitere und anderes Verstörendes ist in ihrem neuen 400-Seiten-Buch zu finden. Michael und Elisabeth Buback. „Der General muss weg.“ Osburg Verlag.

Frische Energie aus Estland

Das Land ist klein. Doch die Zahl der Talente groß. Estland im Baltikum zählt gerade einmal 1.3 Millionen Seelen. Da ist selbst München größer. In dem Kleinstaat an der Ostsee ist jedoch nicht Biertrinken oder Fußball Volkssport, sondern Singen. Die Ostsee-Republik hat mit Kadri Voorand einen neuen Shooting Star. Die vielseitige Sängerin experimentiert, wagt Grenzüberschreitungen und bewegt sich souverän zwischen Folk, Rock und Jazz. Ihre Performance ist jung, innovativ, frisch. I´m not in love … with you singt die 33-jährige. Ach, da heißt es: Ich liebe deine mitgebrachten Rosen. Aber dich liebe ich nicht.

 

 

Kadris Herz will erobert werden. Ihre Musik auch. Die Songs sind anspruchsvoll, aber voller Spannung. Sie fordert genaues Zuhören, belohnt jedoch mit großer Leidenschaft und Intensität. Kadri Voorand wandelt leichtfüßig auf den Spuren von Kate Bush. Live erinnert sie auch an die junge Nina Hagen. In ihrem kleinen Heimatland hat Präsident Kaljulaid die Sängerin zur „Jungen Kulturpersönlichkeit des Jahres“ ernannt. Nun geht sie auf Reisen.

Act – ihr neues Label – veröffentlicht im Februar 2020 ihr erstes Album in Deutschland. Es heißt schlicht: In Duo with Mihkel Mälgand. Mälgand ist ihr Begleiter und ein renommierter Bassist, der bereits mit Jazz-Größen wie Nils Landgren oder David Liebman gearbeitet hat. Musik ist Kadri in die Wiege gelegt worden. Ihre Mutter leitete ein Vokalensemble. So lernt die Tochter früh Singen und Geige, beginnt im zarten Alter von fünf Jahren Klavier zu „studieren“, wie das Jazz-Label Act verkündet, und „schreibt schon mit sechs erste eigene Lieder“. Früh übt sich, wer eine Meisterin werden will.

 

 

Folgerichtig studiert Kadri an der Musik- und Theaterakademie in ihrer Heimatstadt Tallinn. Die estnische Hauptstadt mit der beeindruckenden und bestens erhaltenen Altstadt. Danach entwickelt sie sich an der Musikakademie in Stockholm weiter. Ihr Talent fällt auf. Sie tritt mit dem EBU European Jazz Orchestra auf und brilliert als Solistin im Vokalensemble „Estonian Voices“ mit dem Song „Kättemaks“ in einer wunderschönen Acapella-Version.

 

 

Am 26. Februar 2020 stellt Kadri Voorand mit ihrem Bassisten Mihkel Malgand im Berliner Jazz-Club a-trane ihr neues Album vor. Mein Tipp: Ein Abend, der sich lohnt.

Ab März 2020 ist Kadri Voorand auf Europa-Tournee mit vielen Konzerten in Deutschland.

post image

„Ich wollte frei sein!“ (2)

Jutta Wehmann gehörte 1989 zum überschaubaren „Häuflein der Mutigen“. Sie wagte in der Kleinstadt Nordhausen (heute 42.000 Einwohner) mutig den Neuanfang. Die erblindete Musiklehrerin führte Tagebuch. Sie hielt die Umwälzungen in ihrer thüringischen Heimat vor dreißig Jahren fest. Hier der zweite Teil ihrer unveröffentlichten Notizen. Die Aufzeichnungen sind ein eindrucksvolles Dokument ihrer Hoffnungen und Ängste auf dem Weg zur deutschen Einheit.

 

 

„6.1.1990

In Nordhausen hat sich das Neue Forum (NF) und der Demokratischer Aufbruch (DA) etabliert. Dazu kam später Ende November die SDP (später dann die SPD). Von jeder Gruppierung saßen Abgeordnete am Runden Tisch in unserer Stadt auch von den geduldeten Führungskadern der ehemaligen SED, die sich noch im Dezember 89 zur PDS wandelten.

Wir bereiteten jedenfalls die Wahlen vor. Erste Gespräche in Herzberg! Zweite Einladung nach Osterhagen und für mich dann schon die persönliche Beschäftigung mit dem Einbinden der Bevölkerung im Wohnbezirk. Die Erfahrungen möchte ich nicht missen. Eigentlich fühlte ich mich diesen Aufgaben überhaupt nicht gewachsen. Ich bin eine fast blinde Frau, die sich nicht nur zur Ruhe setzen und „Däumchen drehen“ wollte.

 

Jutta Wehmann bei einer Ehrung 2015. Rechts der ehem. Oberbürgermeister Klaus Zeh. Foto: Stadt Nordhausen.

 

Gedanken wie es unserer Stadt weitergehen sollte und welche Möglichkeiten uns bleiben würden, mache ich mir viele. Viel geistige Hilfe konnte ich mir von Freunden aus der Bundesrepublik angedeihen lassen. Es zeichnete sich ab, dass alles zusammenbrechen würde in der Arbeitswelt unserer „Noch-DDR“! Es mussten feste Strukturen her! Koste es was es wolle. Also weitermachen! So erklärte ich mich bereit, die Wahl in unserem Wohnbezirk vorzubereiten. Diese Vorbereitungen brachten viele Ängste mit sich, wusste ich doch mit welchen Leuten ich es zum Teil zu tun bekäme!

In unserer Stadt wurde mir öfter die Frage gestellt: „Warum werdet ihr keine Partei?“ Einige Mitglieder des NF (Anm. Neues Forum) wollten das schon! Sie gingen zur Forumpartei, später FDP. Das war in Ordnung?! Für mich galt das aber nicht. Vor 1945 hatte unser Volk zwölf Jahre lang eine Partei! Vierzig Jahre mussten ALLE mit der SED konform gehen! „Die Partei hat immer Recht!“?? Nur mit einer Partei könne man etwas bewegen … so wurde gesagt!?!? Warum brauchen dann Parteien so lange, um etwas durchzusetzen? Es geht immer um Befindlichkeiten, viel Befindlichkeit Einzelner und zu wenig Vernunft!“ (…)

 

1990 vor den Wahlen. Gespräche mit Herrn Enzian und der Jagdgesellschaft in Niedersachswerfen. Tenor dieser aggressiven Stimmung jenes Abends (meinerseits beruhigend einzuwirken) war: „Stellen Sie sich vor, diejenigen, die sie anklagen sind ihre Nachbarn. Jeden Tag gab es Erklärungs- und Klärungsversuche von Waffenträgern und Zuträgern. Wir mussten uns mit Waffenträgern, manchmal auch Zuträgern der Stasi auseinandersetzen. Was nützt es diese Leute aus der Gesellschaft zu entfernen? Daraus erwächst nur Hass. Wir wollten nicht ihre Stasi-Methoden und Gewalttaten nachahmen. Diese Leute wussten auch alle, dass die DDR am Ende war. Zum Glück sind wir nur indirekt ihre Richter. Ämter aber und Regierungsaufgaben sollten diese ehemals Regierenden und ihre Mitläufer wirklich nicht mehr übernehmen dürfen!“

Am 18. März 1990 fanden in der DDR die ersten und letzten freien geheimen Wahlen zur Volkskammer statt.