Category : aktuelles

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Kartoffelkäfer flieg

Bis heute halten sich an Stammtischen sagenumwobene Geschichten über den gemeinen Kartoffelkäfer. Fantastische Episoden, voller Helden und Schurken. Weißt Du noch…?! Denn der Schädling kam aus der Luft und – aus dem Westen. Bekannt ist der Kartoffelkäfer auch als Ami-Käfer oder Colorado-Käfer. Er krabbelt weiter in Köpfen, Erzählungen zwischen Tresen und Stammtisch, vierter Molle und allerletztem Korn. Was ist dran? Anfang Mai 1950 erreichte die junge DDR eine Kartoffelkäferplage. Sie führte zu Ernteausfällen. Fast die Hälfte der Anbauflächen war befallen. Wer war schuld? Die Käfer konnten nicht mit Insektiziden bekämpft werden. Geeignete Mittel fehlten. Leuna und Buna waren demontiert. Das Politbüro suchte und fand eine Lösung: Schuld ist der US-Geheimdienst.

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Bauer mit Kultur

Er knipste das Licht aus. Wickelte die Genossenschaft ab. Schickte fast siebzig Mitarbeiter in die Marktwirtschaft. Aus und vorbei. Siegfried Naumann. Letzter Chef der LPG-Tierproduktion „Thomas Müntzer“ im kleinen märkischen Netzeband. Sein Betrieb hörte auf den Namen des Bauernführers. Gut tausend Schafe und hundert Milchkühe gehörten dazu. Karges Land, schlechte Böden. Viel Arbeit, wenig Ertrag. Gleich nach der Wende das Ende. Naumann nüchtern: „Wir haben die LPG aufgelöst, weil die Landwirtschaft unter kapitalistischen Verhältnissen eigentlich nicht machbar war“.     Siegfried Naumann ist ein pragmatischer Mensch. Und doch folgt er seinen Prinzipien. Er studierte Landwirtschaft und Pädagogik. Er liebte leidenschaftlich die Jagd und Arien von Wolfgang Amadeus Mozart. Er war

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Last Song

So schnell kann es gehen. Für Juli war ein großes Sommerkonzert im gediegenen Schloss Neuhardenberg östlich von Berlin angekündigt. Ein Top-Ereignis. Summertime im Park mit Al Jarreau. Dann kam vor wenigen Tagen eine Absage der Veranstalter. Er sei zu erschöpft. Das Konzert müsse ausfallen. Diesen Sonntag (12. Februar 2017) wurde aus einer kleinen Nachricht traurige Gewissheit. Al Jarreau hat sich verabschiedet. Für immer. Der 76-jährige Sänger verstärkt nun das Himmels-Orchester mit David Bowie, Prince, Leonard Cohen und vielen anderen. Dort oben wird es ziemlich voll… „Al Jarreau gehört zu den Stars, die man nicht vorstellen muss“, hieß es im Programm für das Sommerkonzert in Neuhardenberg. Ein ganzes Orchester hatte er

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Hey Bots

Alle Jahre wieder ist Berlin die Kino-Hauptstadt der Welt. Knapp 400 Filme werden in den nächsten Tagen auf der Berlinale zu sehen sein. Glitzer und Glamour, Frust und Leid liegen nur einen roten Teppich entfernt auseinander. „Lebensbejahende Stoffe und Themen“ in schweren Zeiten verspricht Berlinale-Chef Kosslick im 67. Jahr. Tausende selbsternannte, selbstverliebte aber auch professionelle Filmkritiker werden die Darbietungen auf der Leinwand loben und zerlegen, verklären oder vernichten.   Die Stunde der Entscheidung. Manchmal herzbeglückend schön, manchmal abgrundtief zerstörerisch. Das war schon immer so in der Welt der Stars, Sternchen und filmenden Sinnsuchern. Kritik ist das Salz in der Suppe. Doch nun tauchen in der Flut der Kritiken erste Texte

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Der große Deal

Deals zu machen ist in. Donald Trump lebt das Big Business vor. Beim Deal gewinnt der eine, der andere verliert. Wie herrlich altmodisch war da Ludwig Erhard. Einst konservativer Kanzler mit Zigarre. Vater des westdeutschen Wirtschaftswunders. Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft. Sein Motto: Wohlstand für alle. Für den CDU-Mann war der Kompromiss das Wesen einer Demokratie. Ein gelungener Deal bedeute, dass beide Seiten am Ende glauben, das größere Stück vom Kuchen abbekommen zu haben.     Wenn heute nach Gründen der Demokratieferne und -Müdigkeit der Ostdeutschen gefragt wird, muss an den großen Deal der neunziger Jahre erinnert werden. Das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung war ein genetischer Fehler der Einheit. Eine Vorkriegs-Urkunde

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Da wächst Gras drüber

Hof und Haus, Stall und Scheune wurden gesprengt oder abgetragen. Abgeräumt und eingeebnet. Ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Über fünfzig Siedlungen ereilte dieses Schicksal. Mitten in Deutschland. Das Schicksal dieser Dörfer? Sie standen dem Kalten Krieg im Wege. Die Grenztruppen brauchten freies Schussfeld. Die Kommandos wüteten ab den frühen fünfziger bis in die späten achtziger Jahre. So verschwanden jahrhundertealte menschliche Ansiedlungen für immer.     Wüstungen heißt ein ambitioniertes Ausstellungs- und Dokumentationsprojekt der beiden Potsdamer Fotografen Anne Heinlein (Jahrgang 1977) und Göran Gnaudschun (1971). Sie reisten viele Jahre buchstäblich ans Ende der Welt. Die Fotografen suchten und fanden Spuren einer untergegangenen Welt. Grenzdörfer, die verschwinden mussten, um „Angriffe auf

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Verteidigung des Abendlandes

Das Haus steht im Nirgendwo. Nächster Nachbar ist Frau Merkel mit ihrem wuchtigen Kanzleramt, Waschmaschine genannt. Ansonsten hoppeln ein paar Kaninchen durch den abendlichen Tiergarten. Abseits und doch mittendrin im Berliner Regierungsviertel steht die Schweizerische Botschaft. Frau Botschafterin Schraner Burgener, die tüchtige Vertreterin ihrer Eidgenossenschaft, lädt zum Empfang. Sie wirbt für Dichter und Denker des kleinen Alpenvolkes. Eine Handvoll der 70 Schweizer Verleger präsentieren ihr Programm.   Durch ein Tor im Altbau, nach erfolgter Einlass- und Gesichtskontrolle führen breite Stufen in das Hochparterre einer stattlichen Gründerzeitvilla. Der Besucher ist beeindruckt: Viel Stuck und Ornament, Parkett und Flügeltüren, Samtbezüge an den Wänden und Kronleuchter an den Decken. Das Palais atmet den

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Zu den Sternen

Branten ist ein altdeutsches Wort für Pratzen oder Tatzen. Klanglich schwingt „Brandenburg“ mit. Das dünnbesiedelte Bundesland rund um Berlin ist flach, menschenleer, spröde. Preußisch angetretene Kieferwälder und endlose Rapsfelder geben sich die Hand. Über allem ein weiter Himmel. Die Bewohner sind wie das Land. Misstrauisch und wortkarg, aber verlässlich. Im Nordwesten Brandenburgs liegt Gülpe. Dank Google Earth leicht zu orten. Hier ist das Herz Dunkel-Deutschlands. Unbestreitbarer Vorteil: hier sind die meisten Sterne zu sehen.     Die Demografie hat diesen Landstrich zwischen Berlin und Hamburg eisern im Griff. Scharenweise sind in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten junge Einheimische abgewandert. Andere wiederum ziehen hierher. Suchen ihr Glück, versuchen in diesen menschenleeren Gegenden

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Bis zum Umfallen?

Rente mit siebzig, forderte Wolfgang Schäuble. Lebensfremd, konterte Andrea Nahles. Malochen bis die letzten Zähne ausfallen? Wer will das schon? Die Babyboomer-Generation steht vor einer großen Zäsur. Es ist nun mal so: Jeder will alt werden. Aber keiner alt sein. Malochen bis weit über 65? In einem kleinen Betrieb in der Nähe von Boston gehört diese Erfahrung zum täglichen Brot. Vita Needle heißt die Vorzeige-Firma im Vorort Needham. Durchschnittsalter: 74 Jahre. Das Beste. Die vierzig Mitarbeiter kommen gerne und freiwillig. Sie sind zuverlässig, diszipliniert und belastbar. Sie arbeiten in der Regel vier bis fünf Stunden, manche deutlich mehr. Der Umsatz hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Die Alten produzieren

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Verordnete Trauer?

„Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Björn Höcke, beurlaubter Geschichtslehrer, Vordenker und Lautsprecher der AfD erhielt johlenden Beifall in Dresden, der deutschen Hauptstadt der Wutbürger. Was folgt? Die Schande Holocaust-Mahnmal abreißen? Planieren, um genau dort die „Altvorderen, die bekannten, weltbewegenden Philosophen“ und „Musiker“ aufzustellen? Schiller und Beethoven? Höcke attackierte den Zeitgeist eines „brutal besiegten Volkes“ wenige Tage vor dem 75. Jahrestag der Wannsee-Konferenz. Dort fand die bürokratische Absegnung der Endlösung für elf Millionen europäische Juden statt. Fünfzehn hohe Vertreter von SS und Regierung unter Leitung von Reinhard Heydrich (Chef des Reichsicherheitshauptamts) trafen

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