Category : aktuelles

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Hunger auf Leben

Neunzig … und kein bisschen leise. Das ist Jean Ziegler. Sein Motto: „Empört Euch, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“ Der große alte Mann aus Thun ist ein wahres Schweizer Gesamtkunstwerk. Bürgerschreck. Kämpfer gegen den Hunger. Soziologe und Publizist, dreißigfacher Buchautor, millionenfach verkauft und gelesen. Streitbar wie umstritten. Unermüdlich im Kampf gegen Hunger und Armut. Er sagt: Die Weltlandwirtschaft könnte problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren. Momentan leben rund acht Milliarden auf unserem Planeten. „Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.“ Seine Schweizer Botschaft:  Hunger ist unerträglich. Ein lebenslanger Aufreger: Alle fünf Sekunden verhungere ein Kind unter zehn Jahren, wettert er, während fast alle anderen Menschen wegsehen.

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Soljanka für alle

Man nehme: Jagdwurst geschnitten. Ketchup. Gewürzgurken mit Brühe. Paprikaschoten Farbe egal. Zwiebel oder Schalotten. Passierte Tomaten. Wasser nach Bedarf. Salz und Pfeffer. Paprikapulver. Ausreichend Würfel Gemüsebrühe. Etwas Zucker. Saure Sahne. Zubereitungszeit eine gute Stunde. Für rund 250 Portionen bedarf es vieler helfenden Hände. So gelingt der ostdeutsche Klassiker, deutlich feiner als vor der Wende. Keineswegs jedermanns Sache. In heutigen fleischarmen Zeiten eher verschmäht. Aber: Es ist ein nahrhaftes Hauptgericht. Preiswert, schnell und lecker. Soljanka – das Festmahl zum 33. Geburtstag der Suppenküche Pankow, der größten Armenküche der Hauptstadt. Der Wunsch von Ehrengast Wolfgang Thierse, einst Bundestagspräsident. Die Soljanka wird in einem Kloster in Pankow serviert, kurz vor der früheren Mauer.

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Jule

Wenn ich meine Augen schließe, um zu träumen, schwebe ich eine alte Chausseestraße mit alten, knorrigen Bäumen entlang. Irgendwann hinter der letzten Abbiegung treffe ich auf einer Wiese am Wald Familie und Freunde. Alle packen aus, was sie mitgebracht haben. Ein paar Köstlichkeiten, Käse, Trauben, ein Stück Brot zum Teilen, guten Wein. Dann packt eine junge Frau ihre Gitarre aus, stimmt kurz die Saiten, lächelt in die Runde. Sie konzentriert sich. Die Gitarristin beginnt zu spielen. Ihre Stimme setzt ein. Die Plaudereien verstummen. Gemeinsam träumt die Runde von Glück und Gemeinschaft. Mein Vater gab mir mit: Freunde und Musik. Das sind die beiden Dinge, auf die es im Leben ankommt.

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Leipziger Allerlei

Regen peitscht aufs Kopfsteinpflaster. Ein einsamer Pianist trotzt der Nässe. Er intoniert Evergreens vor der Leipziger Nikolaikirche. Dort, wo 1989 die friedliche DDR-Revolution ihren Ausgang nahm. Wenige Passanten eilen vorbei. Es ist Buchmesse, die Stadt gerade leergefegt. Spiel´s noch einmal, Sam. Das Lied trägt mich weiter. Dabei ist Leipzig die ganzen Tage über voll. Rund 300.000 Buchfreaks oder Cos-Player in Manga-Kostümen bevölkern Messehallen. Abends stürmen Heerscharen abertausende Veranstaltungen in der Innenstadt. Von queerer Literatur in Sachsen bis zur probiotischen Quarkherstellung ist alles dabei. Die Veranstalter kloppen bei ihrer Bilanz in die Marketingtasten. „Besucherplus. Das Buch wird gefeiert. Ein Fest der Demokratie.“ Tatsächlich feiert Leipzig nach vier verunglückten Pandemiejahren ein Comeback.

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Wie ein Vulkan

Als Halldor Gudmundsson seine große Island-Geschichte aufschreibt, tobt die Natur. In unmittelbarer Nachbarschaft bricht ein Vulkan unweit von Reykjavik fünfmal aus. Der Himmel verfärbt sich rot, die Erde öffnet sich nordöstlich des Berges Sylingarfell und spukt kilometerweit rotglühende Lava aus. Ein faszinierend-beängstigendes Naturspektakel, während Gudmundsson an seinem Manuskript feilt. So entsteht „Im Schatten des Vulkans“, eine Reise durch die Literatur Islands. Seit Menschengedenken prägt die Kraft der Natur mit Erdbeben, Vulkanausbrüchen und eiskalten Winternächten die kleine, große Wikingerinsel hoch oben im Norden. Der Sylingarfell-Vulkanausbruch der letzten Monate blieb bislang ohne schwerwiegende Folgen – zum Glück.     Island ist die größte Vulkaninsel der Welt. Regelmäßig brodelt und explodiert die Erde.

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Tanz den Hotzenplotz

Er ist ein Räuber, kennt keine Gnade. Na, ja! Manchmal schon. Der Mann mit dem Donnernamen Hotzenplotz nimmt sich, was er begehrt. Sogar Großmutters Kaffeemühle, die beim Kurbeln so schön „Alles neu macht der Mai“ spielt. Kasperl und Seppel ziehen los, um dem breitbeinigen Räuberhauptmann mit Schlapphut, Feder und Pistole das Handwerk zu legen. Gemeinsam mit Wachtmeister Dimpfelmoser und Zauberer Petrosilius Zwackelmann triumphieren sie am Ende im Namen der Gerechtigkeit. Happy End! Wie schön. Als Babyboomer habe ich den Räuber Hotzenplotz geliebt. Ausgedacht hat sich diese Geschichte ein gemütlicher Mann mit vertrauensvoller Stimme: Otfried Preußler. Mit seiner „Der-Die-Das-Trilogie“ – Der Räuber Hotzenplotz (1962; Trilogie), Die kleine Hexe und Das Kleine

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Tapfer in den Tod?

Stille und mutige Menschen haben es schwerer als umjubelte Heldenfiguren, die ans Licht drängen. Frauen und Männer, die wenig Aufhebens machen, die um der Sache willen tätig werden. Hilde und Hans Coppi sind stille Helden. Sie Zahnarzthelferin, er einfacher Dreher. Ein verliebtes junges Paar in Zeiten des Faschismus. Sie ist schwanger. Beide schließen sich einer Gruppe Gleichgesinnter an, die in den ersten erfolgreichen Kriegsjahren der Nationalsozialisten nicht schweigen wollen. Während die NS-Propaganda von allen Fronten Siegesmeldungen verkündet, wagen in Berlin rund 150 Menschen kleine Widerstandsaktionen. Sie kommen aus allen Schichten, kleben Flugblätter an Hauswände, hören ausländische Sender ab, schicken Funksprüche nach Moskau. Die Gestapo nennt sie „Rote Kapelle“. Nach Verrat

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Berlins längste Röhre

Fehrbelliner Platz. „Einsteigen, bitte!“ In der U7 kannst du Berlin hautnah erleben. Der alltägliche Untergrund. Authentisch, ungeschminkt, ruppig und überraschend wie die Stadt. Willkommen in Berlins Bandwurm U-Bahn von Spandau nach Rudow, unweit vom Flughafen BER. Die U7 ist die längste unterirdisch verlaufende U-Bahn-Linie Deutschlands. Eine Zeit lang war sie sogar der längste Tunnel der Welt. Der Spaß kostet 3.50, – im Einzelfahrschein. Die Strecke ist 32 Kilometer lang, zählt vierzig Stationen. Die Fahrt durch die längste Röhre der Hauptstadt dauert eine knappe Stunde.     „Zurück bleiben!“ In vollen Zügen riecht es nach Alk, Schweiß, Parfum, kaltem Rauch und immer häufiger nach Armut. An den Haltestellen kannst du rasch

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„Wir werden mehr gehasst als Nordkorea“

Es ist zum Verzweifeln! Wie bei Kain und Abel nimmt das Drama im Nahen Osten seinen Lauf. Scharfmacher schüren das Feuer. „From River to the sea, Free Palastine!“ rufen pro-palästinenische Aktivisten. Ein kleines Häuflein jüdischer Gegendemonstranten kontert: „Free Palastine – from Hamas!“ Demos vor der FU Berlin mobilisieren ein Großaufgebot an Polizei. Hörsäle werden besetzt und Vorträge müssen abgebrochen werden. Ein jüdischer Student wird krankenhausreif geschlagen. Die studentische Mehrheit an den Unis schaut weg, die Uni-Leitung versucht sich rauszuhalten. Der FU-Präsident braucht eine Woche Zeit, um erst nach großem öffentlichen Druck ein dreimonatiges Hausverbot für den Schläger zu erteilen. Die Lautstarken bestimmen den Ton. Das Klima ist vergiftet. Seit dem

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An der Grenze

Kann Kino die Welt verändern? Ja, manchmal für ein paar heitere Stunden. Ganz selten kann ein Film eine Gesellschaft aufrütteln oder ein ganzes System von Gewissheiten durchschütteln. Das ist Zielona Granica (Green Border) gelungen. Es ist der neue Spielfilm von Agnieszka Holland, der großen alten Dame des Kinos. Zweieinhalb Stunden emotionales Kino, genauer und aufwühlender als die meisten TV-Dokus oder Internetschnipsel zusammen. Wie alle großen Würfe ist die polnische Produktion Green Border höchst umstritten: Machwerk für die einen, Meisterwerk für andere. Bei den Filmfestspielen von Venedig 2023 mit Preisen überschüttet, in Polen attackiert und von der damaligen Regierung als NS-Propaganda diffamiert.     Die Geschichte spielt im Beloweschen Wald, einem

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