Category : aktuelles

post image

Heroes

„Was haben Ihnen Ihre jahrelangen Studien der Natur über die Seele Gottes verraten?“ fragte der Papst Anfang des 20. Jahrhunderts den Naturforscher Alfred Russell Wallace. Seine Antwort: „Über die Seele Gottes habe ich nichts erfahren, aber eines ist sicher: Er hat eine große Vorliebe für Käfer.“ Roger Willemsen war wie der Tierforscher Alfred Brehm, über den er bienenfleißig ein Buch schrieb. Während der Zoologe Brehm 9.000 ausgestopfte Vögel untersuchte, sammelte Willemsen in seiner Welt Menschen und ihre Schicksale.   Ich hätte in diesen Tagen gerne einen Text von Roger Willemsen über den Abgang der Pop-Helden gelesen. Über die Bowies, Princes, Manfred Krugs, Cohens und George Michaels dieser Welt. Sie verließen

Read More →

post image

Ins Offene!

Was für Zeiten! Das Weltenende nah? Der Dichter Hölderlin rief einmal in Zeiten großer Not: „Komm! Ins Offene, Freund.“ Der Gang aufs Land sei allemal besser als in der privaten Nische zu verfaulen oder im Clinch mit einer kaputten Welt zu verglühen. Stadtflucht und Landlust sind ein Wesensmerkmal der modernen, entwurzelten Gesellschaft. Gerade in Zeiten von Terror, Gewalt und Globalisierung suchen immer mehr Menschen einen sicheren Rückzugsort. Fort aus den Städten, hinaus aufs Land – zu Ackerbau und Viehzucht, Piepmätzen und Blumenkohl.   Seit langem verbreitet sich diese Landlust-Schwärmerei. Die Biomärkte sind rappelvoll, Kirchen dagegen leer. Die Sehnsucht nach Landleben ist zu einer Art-Ersatzreligion geworden. Bioprodukte haben zugleich viel mit

Read More →

Frohes Fest

Alles wie immer und doch ganz anders. Aleppo, Ankara, Bagdad, Berlin, Lampedusa, Libyen. Das Zeitalter der Vereinfacher triumphiert. Trump, Brexit, Populisten aller Länder. Das Eis ist rutschig und dünn auf dem wir uns bewegen. In diesem Sinne allseits festen Grund im Neuen Jahr. Ein frohes und fröhliches Fest. Dazu viele gute weiterführende Ideen, Lösungen und Antworten für 2017. Weniger Sprüche, Sprechblasen und alternativlose Plattheiten. Den Vernünftigen eine Chance.   Frohe Weihnachten. Merry Christmas, Joyeux Noel, с Рождество́м!, عيد الميلاد سعيد    

post image

Vermisst

Das Bild entstand 1913. Der Turm der blauen Pferde. Ein ganz großer Wurf. Intensiv, wild, expressionistisch. Ein Jahr vor Ausbruch des ersten großen Infernos des 20. Jahrhunderts. Vor genau einhundert Jahren starb an den Fronten des I. Weltkrieges dessen Schöpfer Franz Marc. Für Kaiser, Reich und Vaterland, wie es hieß. Die Pferde gehören zu seinen aufwühlendsten und bekanntesten Werken. Sein Werk hat den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden. Seit 1945 sind die Pferde spurlos verschwunden. Der letzte bekannte Besitzer des Turms der blauen Pferde war Nazi-Größe Hermann Göring. Der selbsternannte Reichsfeldmarschall hatte das Gemälde nach Ende der Ausstellung Entartete Kunst im Jahr 1937 in München einfach beschlagnahmt. Es soll sich in

Read More →

Über eine Zipfelmütze

Die Gedenkstätte Berliner Mauer zeigt sich empört. Eine weihnachtliche Zipfelmütze auf einem DDR-Wachturm. Das geht gar nicht. Kostümierung für einen Werbegag, nein danke! Direktor Axel Klausmeier: „Ich hoffe, die Initiatoren der Aktion entfernen die Mütze umgehend. Das hat für mich mit Humor nichts zu tun, sondern mit einer totalen Verfremdung eines historisch bedeutsamen Relikts zugunsten von Geschäftemacherei.“ Der Berliner CDU-Abgeordnete Schatz pflichtet konsequent humorfrei bei. Das sei „Verharmlosung des Unrechtsstaates DDR“. Die Zipfelmütze – ein abgeschmackter billiger Jakob? Der Chef vom Projekt Berlin Wall Exhibition wundert sich. Seine Firma hatte den übrig gebliebenen, etwas versteckt stehenden Turm am Potsdamer Platz restauriert. Und jetzt den BT9, so im Grenzer-Jargon, vorweihnachtlich geschmückt.

Read More →

post image

„Unser Uwe“

„Angela Merkel war vor kurzem hier. Heimlich. Ohne Tamtam. Einfach so. Und Thomas de Maiziere auch.“ Kurze Pause. Der Mann lächelt zartbittersüß. „Eigentlich hätte ich das vorher wissen müssen. Ich bin ja der Bürgermeister.“ Der Mann grinst weiter. Lokalstolz steht ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Städtchen Klütz ist ein Anlaufpunkt für Bundesprominenz. Warum?  Wegen eines Speichers, der zu einem Literaturmuseum für Uwe Johnson umgebaut wurde. Ein Mann, den auch sonst kaum noch jemand kennt. Wie bitte, Klütz? Das Provinzstädtchen liegt am nordwestlichen Zipfel Mecklenburgs, auf halbem Wege zwischen Lübeck und Wismar. Eine stille, spröde Landschaft mit wortkargen Menschen, deren sanfte Hügel plötzlich in der Ostsee versinken. Ein Flecken Erde, einst

Read More →

post image

Der Augen-Blick

Paris 1950. Das US-Magazin LIFE bestellte eine Reportage zum Thema „Verliebte in Paris“. Ein lukrativer Job. Der Fotograf Robert Doisneau zog los, um seine Heimatstadt für amerikanischen Leser auftragsgemäß einzufangen. Er entschied sich für ein junges verliebtes Paar mitten in der Menge, direkt vor dem Rathaus der französischen Hauptstadt. Dieser stürmische Kuss machte Karriere. Die Momentaufnahme verzauberte die Welt. Schlicht, in Schwarz-Weiß aber voller Hingabe. Ein Jahrhundertbild. Vive l´amour. 1986 erlebte das Foto vom küssenden Paar ein weltweites Comeback. Es wurde wieder entdeckt, erschien in Magazinen und auf Postern. Mehrere Passanten meinten, sich auf dem Foto wiederzuerkennen. Sie verklagten Fotograf Doisneau auf Tantiemen. Doisneau weigerte sich. Erfolgreich. Denn er hatte

Read More →

post image

Bedingungsloses Höchsteinkommen

Josef Ackermann ist ein Mann von Welt. Korrekter Anzug, elegante Etikette, gut sitzende Frisur. Alles andere aber spielt verrückt. Boni zurückzahlen? – Geht gar nicht! Der Ex-Vorstandschef der Deutschen Bank erklärt, er könne doch „seine jüngeren Kollegen nicht unter Druck setzen“. Ackermanns Leistungsbilanz: Die Deutsche Bank ist heute nur noch die Hälfte wert. Im Mai 2002 übernahm er die Vorzeigebank für zehn Jahre und kassierte Millionen. Seitdem ist das Geldhaus im steten Sinkflug. Alles Bingo in der Unternehmenskultur. Casino- und Manager-Kapitalismus haben sich auf ihr allerhöchstes Level geschraubt. Durchgezockt bis auf die Dachterrasse der 60. Etage, mit beiden Beinen am Abgrund. Geländer wurden abgeschraubt, zu teuer. Sicherheit ist ein unnützer

Read More →

post image

Ruf mich nicht an

Eine dicke Erkältung fesselte mich auf mein Sofa. Schnupfen, Husten, Heiserkeit, Wummern im Kopf. Die Auszeit mit Kamillen-Dampfbädern und Ingwertee war nicht schön aber heilsam. Was ich nicht ahnte: ich blieb in diesen Tagen nicht allein. Denn das gute alte Festnetz-Telefon, eine Erfindung aus dem letzten Jahrhundert, ließ mich nicht im Stich. Es klingelte munter. Mal morgens, mal mittags, mal abends. Doch nicht Freunde, Kollegen oder die liebe Verwandtschaft wollten sich nach meinen Gesundheitszustand erkundigen. Irrtum. Nummern tauchten auf dem Display auf, die ich nicht kannte. Als ich abhob, machte ich eine spannende Erfahrung. Am anderen Ende meldeten sich äußerst aggressive Stimmen, die mir erklärten, es sei höchste Zeit endlich

Read More →

post image

Schweine verboten

Wir scheiben das Jahr 2016. Der neue doppeltrotgrüne Senat hat ein Vorzeigeprojekt. Berlins Prachtstraße Unter den Linden soll wieder ein Bummel-Boulevard werden. Autofrei auf knapp anderthalb Kilometern. Eine Flaniermeile wie zu Fontanes Zeiten. Schon Kaiser Wilhelm II. erklärte vor gut einhundert Jahren: „Ich glaube an das Pferd. Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung“. Apropos Verkehr wie zu Kaisers Zeiten. Auch Pferdedroschken sollen künftig verboten werden. Was die Touristen lieben, sei reine Tierquälerei, erklären die Verantwortlichen von SPD, Linkspartei und Grünen. Obwohl es künftig keine stinkenden, lärmenden Automobile mehr auf den Linden geben soll. Spätestens 2019. Das ist der große Plan. Rechtzeitig zur Fertigstellung des neuen Schlosses, genannt Humboldt-Forum. Dann kann

Read More →

1 37 38 39 40 41 46