Category : aktuelles

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Über eine Hassliebe

Be Berlin. Die Stadt an der Spree ist ein Ort, der Menschen zuverlässig anzieht, aufregt und auch wieder abstößt. Der Boom hält an. Trotz Flughafen-Fiasko und Flüchtlings-Chaos. Im letzten Jahr zog eine ganze Großstadt nach Berlin: 120.000 Menschen. Das ist einmal Göttingen, Ulm oder Wolfsburg. Darunter waren auch 40.000 reguläre Neubürger. Berlin wirkt weiter wie ein Magnet. Ist die deutsche Hauptstadt «romantisch wie Bullerbü, mondän wie die Côte d’Azur und weltstädtisch wie London», wie das Hochglanzmagazin «Geo special» befindet? Von wegen! Berlin ist „zum Abkacken“, schreibt Kristjan Knall in seiner Kampfschrift „111 Gründe, Berlin zu hassen“. Er nimmt Berlin-Klischees unter die Lupe, streitet gegen „Eso-Hipster, Stammtisch-Sarrazins, Dit-wird-ma-ja-wohl-noch-sagn-dürfn-Sagern und Alpha-Prolls im

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Der Menschenfreund

Es war eine Freude ihn zu treffen. Mit ihm zu arbeiten, zu reden und zu streiten. Roger Willemsen hatte stets etwas Ansteckendes, Öffnendes und Befreiendes. Selbst wenn man seine Meinung nicht immer teilen mochte, seine Fragen, Ideen und Gedanken ließen einen nicht mehr los. „Man muss dorthin gehen, wo es wehtut“, war sein Credo. Nun hat ihn der Krebs im Alter von sechzig Jahren besiegt. Nicht aber seine Haltung. Roger Willemsen hinterlässt eine Lücke. Es ist eine große Lücke. Willemsens Welt. Unerschöpflich interessierte er sich für alles, was das Leben zu bieten hatte. Afghanische Kinder, Bundestagsabgeordnete, Helden, Selbstmörder, Lügner, Blender und immer wieder und bevorzugt Außenseiter aller Schattierungen. Als er

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Von oben betrachtet

Der kanadische Astronaut Chris Hadfield umrundete 2013 die Erde. Er war begeistert. Von der Raumstation ISS zeigte sich der blaue Planet eindrucksvoll. Eine weiß-blaue Kugel, elegant, erhaben, einzigartig. Filigran, fast zerbrechlich. Aus vierhundert Kilometern Höhe fotografierte Hadfield Städte, Landschaften, Kontinente. Bei Tag und Nacht. Über Berlin entdeckte er eine Überraschung. Aus dem All präsentiert sich die Stadt mit einer eindrucksvollen Licht-Installation. Während im Westen bläulich-kühles Licht vorherrscht strahlt der Osten in warmem Bernsteingelb.   Die Lichtgrenze verläuft exakt entlang der alten Mauer. Für Betrachter aus dem All scheint die Berliner Teilung noch Gegenwart zu sein. Auch über ein Vierteljahrhundert nach der Einheit kann die deutsche Metropole ihre getrennte Vergangenheit nicht

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Von fliegenden Karpfen

Das Drama vom todkranken Flüchtling in Berlin? Ausgedacht. Der Skandal um das vergewaltigte dreizehnjährige Teenagermädchen? Erfunden. Sensations-, Lügen- und Horrorgeschichten verfolgen uns nahezu täglich. Gerüchte und Halbwahrheiten haben Konjunktur. Es ist allzu menschlich, in Krisenzeiten Gerüchten Glauben zu schenken. Sie helfen uns, den Überblick zu wahren und wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Viele fühlen sich derzeit einfach überfordert. Gerüchte hingegen bedienen Instinkte, sind von verführerischer Einfachheit. Tatsächliche oder diffuse Ängste werden geschürt. Diese alte Sehnsucht nach Gewissheiten, festen Grenzen und stabilen Feindbildern beschleunigt Gerüchte. Ganz von allein. Wer Zweifel äußert, stört. So kann munter behauptet werden ohne Belege zu bringen. Facebook oder Twitter funktionieren wie flott entflammbare Brandbeschleuniger.

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Als der Blaue Reiter fiel

Das kranke Europa kann nur durch den Kampf geläutert werden. Dieser Krieg werde der grausame aber notwendige Durchgang zu einem neuen Europa sein. Das schrieb der Künstler Franz Marc zu Beginn des I. Weltkrieges. Der berühmte Maler und Mitbegründer des Künstlerbundes „Blauer Reiter“ zog freiwillig den Waffenrock über und diente als Leutnant der Landwehr. Franz Marc war einer von vielen Intellektuellen jener Zeit, die den Krieg als „positive Instanz“ verstanden wissen wollten. Der gebürtige Münchner Marc hatte 1911 den Künstlerbund „Blauer Reiter“ aus der Taufe gehoben – gemeinsam mit Wassily Kandinsky, August Macke und Paul Klee. Ihnen gelang ein atemberaubender Aufbruch in die Moderne. Intensive Farben, expressionistische Leidenschaft und ungezügeltes

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Fünf schnelle Tipps für einen Bestseller

Es ist verdammt früh. Kurz nach der sechsten Stunde. Ein Feiertag. Wir haben es eilig. Der Taxifahrer dirigiert mich zum Flughafen. Im Radio murmelt der Deutschlandfunk die neuesten Nachrichten. Der Chauffeur ist Anfang sechzig, vom Dialekt her ein wachechter Berliner. Er will reden. Sogleich beginnt er mit einer Geschichte vom Flohmarkt an dem wir gerade vorbeikommen. Dort bauen die Ersten ihre Stände auf. Er erzählt: „Ich kaufe dort Bücher für fünfzig Cent das Stück. Ist es ausgelesen, gebe ich das Buch an meine Tochter weiter. Sie sammelt alles und verramscht jeweils drei Gebrauchte für einen Euro. Macht manchmal bis zu fünfundzwanzig Euro am Tag. Echt! Lesen bildet“, lächelt er, „und

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Der alte Mann und die neue Literatur

Es ist kalt. Die Straßen sind voller Schnee, Eis und Matsch. Kein Mensch treibt sich freiwillig herum. Besuch bei einem alten Herrn. Ein Büchermensch alten Schlages, der sein Leben lang an die Wirkung des Wortes geglaubt hat. Sein Name: Achim Roscher. Gründungsmitglied eines kleinen Literaturmagazins über das der Mantel des Vergessens geworfen wurde. Das ist schade. Denn die „Neue Deutsche Literatur“ – abgekürzt NDL – hat viel zu erzählen. Es wird  in seiner kleinen Neubauwohnung am Rande Berlins ein lehrreicher Winternachmittag. Der gebürtige Sachse ist ein kluger Erzähler, voller Anekdoten und Geschichten. Ein lebendes Lexikon. Der 83-jährige berichtet aus über fünf Jahrzehnten deutsch-deutscher Literaturgeschichte. Es geht um die ganz Großen,

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Ach, Europa

Ach, das sind dreißigstellige Kontonummern und kleinkarierte Gurken-Verordnungen. Ein bürokratisches Monster, überreguliert und handlungsunfähig. Ein Riese, dem die Kräfte schwinden. Für Vordenker Hans Magnus Enzensberger steht schon länger fest: Das „Brüssel-Europa“ wird am Eigensinn der Nationen scheitern. Behält er am Ende Recht? Zerbricht das EU-Europa an Gleichgültigkeit oder gar an Gewalt? Längst ist der alte Kontinent im Dauer-Krisenmodus. Die Briten stimmen in diesem Jahr über einen möglichen EU-Austritt ab. Ungarn und Polen überbieten sich an nationalen Aufwallungen und schotten sich weiter ab. Im Süden stöhnen Italiener und Spanier über Schulden und Wirtschaftskrise, kämpfen Griechen trotz drei milliardenschwerer Rettungspakete ums Überleben. Im Norden schließen die Dänen Grenzen und wollen immer mehr

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Die Türme von China

Eine kühne Vision. Atemberaubend. Schwindel erregend. Zwischen verstopften Magistralen und endlosen Platten-Burgen ragt die Zentrale des chinesischen Staatsfernsehens CCTV in den Himmel über Peking. Ein Bauwerk, das alle Dimensionen sprengt und Besucher zum Staunen bringt. „Sitzende Hose“ nennen die Chinesen das gigantische Gebäude. Eines von vielen Beispielen moderner Hochhausarchitektur, die in China wie Pilze aus dem Boden schießen. 2002 erhielten der Niederländer Rem Koolhaas und sein deutscher Partner Ole Scheeren den faszinierenden wie heiklen Auftrag. Sie entwarfen für die boomende Hauptstadt Peking ein gigantisches Medienzentrum, das alles in den Schatten stellt. Ein Bau für die Propagandazentrale des zentral gelenkten Fernsehens, das als Wahrzeichen für den Fortschritt des Landes verstanden werden

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Engel auf dem Dach

Das Leben besteht aus vielen kleinen und großen Schritten. Manchmal stolpern wir, manchmal kommen wir sogar zur Ruhe. Bis es uns wieder weitertreibt. In diesem Sinne: FROHE WEIHNACHTEN. Erholsame Feiertage und einen langen Atem für das Neue Jahr 2016. Wer in den nächsten Tagen Langeweile hat, dem kann geholfen werden. Bilder der Ausnahme-Fotografin Gundula Schulze Eldowy sind in einer Leipziger Ausstellung zu empfehlen. Gundula Schulze Eldowy ist so eine Art Diane Airbus des Ostens. In ihren Bildern hat die gebürtige Thüringerin Freaks und Außenseiter des verschwundenen Deutschlands porträtiert:  Trinker und Eckensteher, Ausgegrenzte und Verstummte. Menschen, die es nach offizieller Lesart in der DDR nicht gegeben hat. Gundula Schulze Eldowy zeigt

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