Category : aktuelles

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Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Es ist das beliebteste und bekannteste Gedicht von Hermann Hesse, dem deutschen Vorzeige-Dichter für die Sehnsucht nach anderen Lebensformen. Der Mann, der mit „Steppenwolf“ und „Siddhartha“ ganze Gymnasiastengenerationen geprägt hat, gelang mit dem „Stufen“-Gedicht ein großer Wurf. Trost und Erbauung für viele Menschen in persönlichen Krisenzeiten. Doch ist der Zauber des Anfangs ganz anders gemeint? Es gibt Recherchen, die sagen, es sei kein Zufall, dass die Urfassung dieser Ermutigung in einer Zeit entstand, in der er sich von seiner Frau Mia trennte und einer jüngeren Geliebten zuwandte. Hesse als profaner Herzensbrecher? Alles hormoneller Zauber? Doch hier ungekürzt die „Stufen“. Ein Gedicht wie ein Gebet.   Stufen (1941) „Wie jede Blüte

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Zurück in die Zukunft

Die Analog-Bewegung ist angeblich da: Buchladen statt Amazon, Bargeld statt Kreditkarten. Lagerfeuer-Gespräche statt Facebook, Brief statt Email, Kino statt Netflix und ach ja – Denken statt Googlen. Das wäre schön und klingt irgendwie nach Retro. Oder nach „BIO“? Na klar. Es ist das identische Modell wie im Bio-Business. Apfelsaft naturtrüb statt Aldi-Tüte aus dem Regal. Möhre statt Milky Way.   Wie viel analog und wie viel am Tag digital lebt der moderne Mittelstandsmensch? Die Zahlen sind eindeutig: Twitter, Facebook, Instagram oder Periscope dominieren den Alltag und steigern den Blutdruck. Rein, raus, der nächste Tweed. Dagegen ist das Netz fast schon old-fashioned. Und dennoch: Bei Google lernt man am wenigsten. Das

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So what?

Miles Davis. Ein Mann mit goldenen Händen. Ein Musiker, der den Groove hatte. Der wusste, worauf es ankommt. Sobald er ansetzte, verwandelte seine Trompete die Welt in eine Andere, Größere, Schönere. Lässig, cool bis zum Höhepunkt. Ist das Jazz? Miles Davis winkte ab. Nein, das sei Social Music, sagt er einmal. Nun setzt ihm ein Film ein Denkmal. Er heißt Miles Ahead und garantiert kurzweilige anderthalb Stunden. Mehr als zehn Jahre hat Don Cheadle an seiner Miles Davis-Biografie gearbeitet. Kurz vor Fertigstellung ging das Geld aus. Per Crowdfunding konnte das ehrgeizige Projekt in letzter Minute gerettet werden. Don Cheadle hat alles riskiert. Es ist sein Debüt. Der US-amerikanische Schauspieler ist

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Motiviert?

Der junge Punk wartet auf Kundschaft. Jeden Tag lümmelt er auf der Treppe zum Berliner S-Bahnhof Savignyplatz. Mit Hund, Decke, Bierflasche und Buch. Seine aktuelle Lektüre: „Mieses Karma“. Interessanter Titel. Ich frage nach. In diesem Roman erzählt der Autor David Safier von einer attraktiven Talkmasterin, die unausweichlich zu einer kleinen miesen Ameise schrumpft. Was fasziniert den Schnorrer mit den gelb gefärbten Haaren am bösen Karma? Will er nicht lieber nach oben kommen? Der Plot sei klasse, sagt er. Übersetzt bedeute dies, richtige Bösewichte vom Schlage eines Hitler, Stalin oder Pol Pot müssten künftig als Darmbakterien Wiedergutmachung leisten. Wäre doch klasse, oder? Pause. Passanten hetzen vorbei. Den Kopf eingezogen, eiligen Schrittes,

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Adler oder Maulwurf?

Was kann ich nur anstellen mit meinen Jahren zwischen Wiege und Grab? Eine Menge meint Jakob Hein, im Hauptberuf Arzt, in seiner Passion Schriftsteller und zudem Sohn des bekannten Autors Christoph Hein. Das steht aber auf einem anderen Blatt. Jakob schreibt am liebsten Schelmenromane. Er liebt Anekdotisches und Abseitiges. Er weiß, dass Bücher längst an Tankstellen zwischen Kondomen und Senf dargeboten werden. Also schreibt er vom Leben wie es ist. Der 44-jährige Berliner ist ein fleißiger Sammler für „verworfene Ideen“, sucht stets händeringend nach dem idealen Romananfang, bezeichnet sich in schwierigen Lagen als „Problemanalytiker“ und bemerkt, dass Menschen wie Dauerschauspieler sind, immer im Einsatz auf der Bühne des Lebens, um

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Über eine Hassliebe

Be Berlin. Die Stadt an der Spree ist ein Ort, der Menschen zuverlässig anzieht, aufregt und auch wieder abstößt. Der Boom hält an. Trotz Flughafen-Fiasko und Flüchtlings-Chaos. Im letzten Jahr zog eine ganze Großstadt nach Berlin: 120.000 Menschen. Das ist einmal Göttingen, Ulm oder Wolfsburg. Darunter waren auch 40.000 reguläre Neubürger. Berlin wirkt weiter wie ein Magnet. Ist die deutsche Hauptstadt «romantisch wie Bullerbü, mondän wie die Côte d’Azur und weltstädtisch wie London», wie das Hochglanzmagazin «Geo special» befindet? Von wegen! Berlin ist „zum Abkacken“, schreibt Kristjan Knall in seiner Kampfschrift „111 Gründe, Berlin zu hassen“. Er nimmt Berlin-Klischees unter die Lupe, streitet gegen „Eso-Hipster, Stammtisch-Sarrazins, Dit-wird-ma-ja-wohl-noch-sagn-dürfn-Sagern und Alpha-Prolls im

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Der Menschenfreund

Es war eine Freude ihn zu treffen. Mit ihm zu arbeiten, zu reden und zu streiten. Roger Willemsen hatte stets etwas Ansteckendes, Öffnendes und Befreiendes. Selbst wenn man seine Meinung nicht immer teilen mochte, seine Fragen, Ideen und Gedanken ließen einen nicht mehr los. „Man muss dorthin gehen, wo es wehtut“, war sein Credo. Nun hat ihn der Krebs im Alter von sechzig Jahren besiegt. Nicht aber seine Haltung. Roger Willemsen hinterlässt eine Lücke. Es ist eine große Lücke. Willemsens Welt. Unerschöpflich interessierte er sich für alles, was das Leben zu bieten hatte. Afghanische Kinder, Bundestagsabgeordnete, Helden, Selbstmörder, Lügner, Blender und immer wieder und bevorzugt Außenseiter aller Schattierungen. Als er

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Von oben betrachtet

Der kanadische Astronaut Chris Hadfield umrundete 2013 die Erde. Er war begeistert. Von der Raumstation ISS zeigte sich der blaue Planet eindrucksvoll. Eine weiß-blaue Kugel, elegant, erhaben, einzigartig. Filigran, fast zerbrechlich. Aus vierhundert Kilometern Höhe fotografierte Hadfield Städte, Landschaften, Kontinente. Bei Tag und Nacht. Über Berlin entdeckte er eine Überraschung. Aus dem All präsentiert sich die Stadt mit einer eindrucksvollen Licht-Installation. Während im Westen bläulich-kühles Licht vorherrscht strahlt der Osten in warmem Bernsteingelb.   Die Lichtgrenze verläuft exakt entlang der alten Mauer. Für Betrachter aus dem All scheint die Berliner Teilung noch Gegenwart zu sein. Auch über ein Vierteljahrhundert nach der Einheit kann die deutsche Metropole ihre getrennte Vergangenheit nicht

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Von fliegenden Karpfen

Das Drama vom todkranken Flüchtling in Berlin? Ausgedacht. Der Skandal um das vergewaltigte dreizehnjährige Teenagermädchen? Erfunden. Sensations-, Lügen- und Horrorgeschichten verfolgen uns nahezu täglich. Gerüchte und Halbwahrheiten haben Konjunktur. Es ist allzu menschlich, in Krisenzeiten Gerüchten Glauben zu schenken. Sie helfen uns, den Überblick zu wahren und wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Viele fühlen sich derzeit einfach überfordert. Gerüchte hingegen bedienen Instinkte, sind von verführerischer Einfachheit. Tatsächliche oder diffuse Ängste werden geschürt. Diese alte Sehnsucht nach Gewissheiten, festen Grenzen und stabilen Feindbildern beschleunigt Gerüchte. Ganz von allein. Wer Zweifel äußert, stört. So kann munter behauptet werden ohne Belege zu bringen. Facebook oder Twitter funktionieren wie flott entflammbare Brandbeschleuniger.

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Als der Blaue Reiter fiel

Das kranke Europa kann nur durch den Kampf geläutert werden. Dieser Krieg werde der grausame aber notwendige Durchgang zu einem neuen Europa sein. Das schrieb der Künstler Franz Marc zu Beginn des I. Weltkrieges. Der berühmte Maler und Mitbegründer des Künstlerbundes „Blauer Reiter“ zog freiwillig den Waffenrock über und diente als Leutnant der Landwehr. Franz Marc war einer von vielen Intellektuellen jener Zeit, die den Krieg als „positive Instanz“ verstanden wissen wollten. Der gebürtige Münchner Marc hatte 1911 den Künstlerbund „Blauer Reiter“ aus der Taufe gehoben – gemeinsam mit Wassily Kandinsky, August Macke und Paul Klee. Ihnen gelang ein atemberaubender Aufbruch in die Moderne. Intensive Farben, expressionistische Leidenschaft und ungezügeltes

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