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Nice-Land

Junge bärtige tollkühne Männer mit achtziger Jahre-Haarschnitt stürzten selbstbewusste, überhebliche, topondulierte Profis von ihrem Ross. Eine echte Saga, Marke Island. David gegen Goliath. Tapfere Trolle gegen gigantische Gladiatoren. Sie verhalfen den Briten zum sportichen Brexit. Nun sind die Isländer gegen Frankreich ausgeschieden. Zwei Tore reichten nicht – die Franzosen netzten davon fünfe ein. Egal. Das isländische Sommermärchen ist vorbei. Einziger Wermutstropfen: Nun wird die EM ein wenig langweiliger. Island hatte nie eine Armee. Seit dem 13. Jahrhundert aber sind Isländer die besten Geschichtenerzähler. „Snorra Edda“ – ihre Blaupause für Heldengeschichten. Seit Jahren liebe ich diese kleine, große Insel am Rande der Welt mit Eis und Feuer, Gletschern und Vulkanen. Bewundere

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Ewige Jugend

Was ist, wenn der tägliche Tropfen zum Höhepunkt wird? Nicht der gute Tropfen, den man trinkt sondern der quälende den man lässt? Was, wenn man nicht mehr weiß, ob mit der großen Jugendliebe mehr als Händchenhalten war? Ach, wie hieß sie noch einmal? Zwei alte Freunde hängen ihren Erinnerungen nach. Ewige Jugend heißt ein stiller, melancholischer Film, der die letzten großen Sehnsuchts-Fragen aufwirft. Zwei alte Knaben, gespielt von Michael Caine und Harvey Keitel stecken in einem biederen Schweizer Berghotel fest. Der Zauberberg lässt grüßen. Ein goldener Käfig voller Narren und skurriler Gäste. Über Geld reden die Insassen nicht, das hat man einfach und gibt es im Luxusresort gleich wieder aus.

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Eine Stadt am Limit

„Berlin – eine Erfolgsgeschichte“ so verkündet es eine funkelnagelneue Werbebroschüre des Berliner Senats. Auf dem Titel ist das Brandenburger Tor zu sehen und im Inhalt leuchten die Superlative. Berlin ist hip, top und voller Aufschwung, heißt es. Die deutsche Hauptstadt sei „attraktiv“ und „lebenswert“. Berlin habe „alles, was man braucht“. Ein „gut vernetzter“ Treffpunkt, „für alle da“, er „biete Chancen“ und zeuge selbstredend „von Weltrang“. Natürlich fehlt der Flughafen, auf den die Stadt seit über 1290 Tagen wartet. Keine Rede ist vom Chaos am weltweit bekannten neuen Checkpoint LaGeSo. Keine Silbe ist zu finden über Bürgerämter, die für einfachste Dinge wie einen Pass verlängern Monate brauchen. So ist das eben

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Ein Brief an Freund Hitler

Die Adresse lautet. An „Herr Hitler, Berlin, Germany“. Am 23. Juli 1939, knapp sechs Wochen vor Ausbruch des II. Weltkrieges setzt sich ein Mann im fernen Indien an seine Schreibmaschine. „Lieber Freund“, beginnt er freundlich, er müsse diese Botschaft jetzt schicken, die Zeit sei reif. Ein Krieg müsse unbedingt verhindert werden. Der Absender? Mahatma Gandhi. Wörtlich schreibt der vielgepriesene gewaltlose Verfechter der indischen Unabhängigkeitsbewegung und bekennende Pazifist: „Lieber Freund. Bekannte haben mich gedrängt, Sie im Namen der Menschlichkeit anzuschreiben. Lange bin ich dieser Bitte nicht nachgekommen, weil ich glaubte, ein Brief von mir könnte als anmaßend empfunden werden. Offenbar sind Sie unter allen Menschen allein in der Lage, einen Krieg

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Helden der Straße

„Haste mal paar Groschen?!“ Arme, Bettler, Betrunkene, Junkies, Obdachlose, Illegale und Flüchtlinge werden sichtbar. Auf Bahnhöfen, in Fußgängerzonen, vor Supermärkten. Sozial Bedürftige in Konkurrenz. In den Städten und besonders in Berlin sind sie überall zu sehen. Menschen mit gescheiterten Biografien und tragischen Lebensläufen. Sie öffnen in Banken die Türen, putzen an roten Ampeln Windschutzscheiben, musizieren in Bahnen, verkaufen Straßenzeitungen, sitzen an Straßenkreuzungen. Sie knien auf schmutzigem Asphalt, flehen Vorbeiziehende an.   Ihr Arbeitsgerät: ein Pappbecher. Mal ein traurig-bittender Mitleids-Blick. Mal zerschlissene Kleidung. Manchmal ein Hund. Das steigert die Spenden-Bereitschaft. Diese Bürgersteig-Desperados sind Botschafter der Armut. Sichtbar, überall, nervend. Der Passant zieht den Kopf ein, beschleunigt den Schritt. Mit schlechtem Gewissen

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Ein Fest fürs Leben

Den Kragen hochgeschlagen, die Schritte beschleunigt. Wer ist derjenige, der mir gerade entgegenkommt? Ein Blick. Ein Zögern. Dieses Misstrauen. Wann ist es wieder verschwunden? Wo führt die Reise hin? Trotzig steckt sich ein Passant seine Zigarette an. Ein Mopedfahrer knattert die enge Straße entlang. In der Ferne ertönt eine Polizeisirene. Es beginnt zu regnen. Alle, die in den letzten Tagen in Paris waren, berichten von kleinen, unmerklichen Nuancen. Von einem Gefühl der verlorenen Unschuld, obwohl der Verstand nicht müde wird, das Denken in Richtung Stolz und Unerschütterlichkeit zu lenken. Ernest Hemingway war in seinem Leben zweimal für längere Zeit in Paris. Als es keine Selbstmordattentäter, Terrorkommandos oder Drohnen gab. Er

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Deja vu?

Geschichte wiederholt sich nicht. Das sagen gerne Historiker. Aber wie ist es mit Geschichten, Konflikten, Situationen? Doch, bestimmte Geschichten kommen und gehen und wiederholen sich. Entweder als Farce oder Tragödie. Oder beides zusammen. Mit großem Trommelwirbel und einem meist kleinlauten Finale. Katzenjammer inklusive. Seit diesem Sommer hält die Massenflucht aus den Notstandsgebieten dieser Erde unser Land in Atem. Zwischen praktischer Hilfe und Pegida-Gebrüll wechselt die deutsche Seelenlage. Seit Wochen werden die Töne schriller, die Stimmung gereizter. Gewalt wird wieder zu einer Option. Aus Worten werden Waffen. Es wird gepöbelt, gedroht, geschlagen. Scharf, schrill und wenn es sein muss mit Baseball-Schlägern.   Vor genau 23 Jahren war die Lage im damals

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Die Shanghai-Boys

Sonntagabend. Punkt Sieben. Sechs alte Herren nehmen Platz. Weiße Sakkos, schwarze Fliege. Die dünnen Haare gegelt, Strähnen sorgfältig über das blanke Haupt gefaltet. Die Herren geben sich gelassen und abgeklärt. Der Älteste am Saxofon ist 94 Jahre alt. Der Schlagzeuger bohrt in der Nase. Der Trompeter checkt letzte Nachrichten auf dem Smartphone. Dann aber höchste Konzentration. Denn ihr Name verpflichtet: Old Jazz Band. Auf geht´s. Die Show beginnt im Peace Hotel. Einst erstes Haus der Kolonialzeit mitten in Shanghai. Eine vornehme Adresse. Nun wieder schick saniert. Aber auf sympathische Art leicht verstaubt, ein wenig aus der Zeit gefallen. Que sera erklingt. Ein paar Besucher wippen mit den Füßen. Eine elegante

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Sehnsucht nach der arschlochfreien Zone

Berlin leuchtet. Doch nur das Landleben verspricht Erfüllung. Viele gestresste Kopfarbeiter der Großstadt suchen in Brandenburg ihr Seelenheil. Es ist die ungestillte Sehnsucht nach dem einfachen, natürlichen Leben. Nach einer arschlochfreien Zone, so Max Moor, allseits präsenter TV-Moderator und märkischer Vorzeige-Aussteiger. Leitfigur vieler Schreiber, Sänger, Tänzer, Performer, Dokumentarmacher, Diskussionsingenieure, Lecture-Virtuosen, Postdramatisten und Gender-Aktivisten. Sie wollen offline gehen im Märker-Land. Im Land mit der geringsten Internet-Dichte. Das Netz ist hier noch analog.   Die Sehnsüchtigen möchten die Freiheit des Landes genießen, aber bloß nicht zum Landei mutieren. So verwandeln Berlin-Aussteiger ihr Leben in eine Doppelexistenz. Sie eint ihr Blick für das Besondere und der Wille, sich neben dem Job in Büros

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Die an das Recht glauben

„Doch er war ein Held“, sagt Jacqueline van Maarsen nach längerem Zögern. „Ich hatte immer gedacht, meine Mutter hat uns das Leben gerettet.“ Die Niederländerin Jacqueline, heute 86-jährig, war die beste Freundin von Anne Frank. Sie überlebte, weil der zuständige NS-Rassereferent beide Augen zudrückte und ihre Familie verschonte. Seine Name: Hans Calmeyer. Ein deutscher Jurist. Ein ungewöhnlicher Mann.   Sein stilles Wirken im besetzten Holland ist weitgehend vergessen. Dabei hat der Mann mehr Menschenleben gerettet als der berühmte Oskar Schindler, dem Hollywood ein Denkmal gesetzt hat. Seine Geschichte hat Jurist Hans Calmeyer in einem Lebenslauf selbst zusammengefasst. Geschrieben in der dritten Person kurz nach Kriegsende. Sachlich, distanziert, im Stile eines

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