Category : aktuelles

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Flieg!

Er raucht und säuft nicht. Das Wort Skandal ist für ihn ein Fremdwort. Er ist ein stiller weißer Mann, der den Blues hat: Steve Winwood. Seit über fünf Jahrzehnten tourt er auf den Bühnen der Welt.  Nun ist er mittlerweile runde Siebzig. Steve – das einstige Wunderkind. Der Hochbegabte und Schüchterne. Der Vielkopierte und vielfach Unterschätzte. Vorbild ganzer Musikergenerationen. Natürlich ist er älter geworden wie seine Fans. Aber sein Sound ist jung geblieben.     Winwood stammt aus Birmingham. Vater Lawrence besserte sich als Hochzeitsmusiker sein bescheidendes Budget auf. Mit fünfzehn startete Steve als Pianist und Sänger in der Spencer Davis Group. Keep On Running wurde ein Welt-Erfolg. Es folgten

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Feuer!

Kinder, Kinder. Schöne neue Welt. Willkommen in der hippen Kinderstube mit younow, Instagram und you tube. Mit Shares, Likes und Retweets. Facebook ist das Auslauf-Gehege für Omas und Opas. Younow dagegen der angesagte Live-Video-Chat für Kinder und Jugendliche. Ein Kanal mit hohem Suchtpotential. Um Up-To-Date zu sein, empfehlen die Influencer der Branche alle 72 Sekunden neue Inhalte zu posten. Täglich. Das ganze Jahr. Baby, you are online!     Ganz anders die alte Offline-Welt. Die Hälfte der deutschen Kinder ist noch nie alleine auf einen Baum geklettert. Für Kinder verboten sind Feuer, Schere, Licht. Das war schon immer so. Doch mittlerweile haben besorgte Eltern eine Verbotskultur mit großer Gründlichkeit durchgesetzt.

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Lost in Herzdorf

Herzdorf, einst Hertzdorf, liegt in Brandenburg. Gut zwei Autostunden von Berlin entfernt, im Nordwesten nahe der Grenze zu Mecklenburg. Die Mini-Siedlung wurde erstmals 1574 erwähnt. Mitte des 18. Jahrhunderts versuchten zehn Kleinbauern ihr Glück. Vermutlich um die Jahrhundertwende brannte das Dorf wieder ab. Die Reste von Herzdorf liegen auf dem ehemaligen Boden-Luft-Schießplatz „Polygon Wittstock“. Besser bekannt als „Bombodrom“, einst das größte Übungsgebiet Europas. Das Dorf ist verschwunden. Nur eine Wetterstation funkt noch Daten, unter anderem für Jörg Kachelmann. Das war´s.     Doch Herzdorf lebt. Für mein Buch „So viel Anfang war nie“ ist es wieder auferstanden. Ein Symbol für das stürmische Auf und Ab der letzten Jahrzehnte. Das Herzdorf

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Haus am See

„Und der Mond scheint hell auf mein Haus am See. Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg.“ Peter Fox von Seed besingt diesen Traum. Ein Haus am Ende der Welt, wo man gerne ist und gerne bleibt. Es gibt diesen Traumort wirklich – die Villa del Balbianello. Am Comer See in Italien. Hier residiert die Mutter aller Traumhäuser. Mit verspielter Villa, Park, See und hochaufragenden Bergen. Für zwanzig Euro zu entdecken. Mit Führung, Sehnsuchtsseufzern und der Erkenntnis, dass hier James Bond und Star Wars ihre standesgemäße Kulisse gefunden haben.     Hausherr war zuletzt Guido Monzino. Ein Mailänder Unternehmersohn. Vom Glück verfolgt. Er musste nichts tun – außer das Geld seines Vaters

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Was aus Wunderkindern wird

Was treibt Musiker an, die mit Anfang dreißig alles erreicht haben? Internationale Preise, weltweite Auftritte, VIP-und Promistatus. Ein Turbo-Leben im Bonus-Meilen-Rhythmus. Der Geiger Iskandar Widjaj ist so ein Wunderkind. Wie Mozart begann er mit vier zu üben. Mit sieben hatte er sein erstes öffentliches Konzert in Italien- ein Vivaldi-Solo. Mit elf studierte er Geige an der Berliner Musikhochschule Hanns Eisler. Es folgte eine rasante Karriere. Jetzt ist er 32. Sein neues Album Mercy ist eine Reise ins Innere. Überrascht?     Iskandar Widjaja ist eine typische Berliner Pflanze. Geboren 1986 an der Spree. Der Vater hat arabisch-holländische Wurzeln. Die Mutter ist Pianistin, eine Indonesierin aus chinesischer Familie. Iskandar wuchs in

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Rad-Los

Eine Liebesbeziehung zu meinem Fahrrad hatte ich nie. Eher eine Vernunftehe. 7-Gang-Schaltung. Rücktrittbremse. Altherren-Modell. Zweckmäßig, unauffällig, ohne Schnickschnack. Allerdings fiel mir jede Trennung schwer. Nachdem das vierte Rad in drei Jahren geklaut wurde, flog ich aus der Versicherung. Mein Blutdruck schoss nach oben – ins Bedenkliche. Man könnte sagen, ich wurde kurzzeitig zum Wutbürger. Doch dann geschah ein Wunder.     Anfang April dieses Jahres meldete sich ein freundlicher Polizist. „Ihr Fahrrad ist aufgefunden worden.“ – Ich war sprachlos. Meine erste Frage: „Welches?“ – „Marke Pegasus.“ – Wir stellten schnell fest, es war der letzte Diebstahl. Das gute Stück war am anderen Ende der Stadt an einem S-Bahnhof entdeckt worden.

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Hitzefrei

Es ist kurz vor Mitternacht. Alle Fenster sind aufgerissen. Lüften! Von draußen dringt der Sound von Berlin ins vertraute Heim. Das Grundrauschen mit Hupen, aufheulenden Motoren, ab und zu das quälende Martinshorn eines Notarztwagens. Irgendwo ist immer was. Auch im Hochsommer. Die Stadt ist im Urlaubsmodus. Leerer als üblich, aber auch heißer. Viel heißer. Die Luft steht. Das Thermometer im Arbeitszimmer sinkt in den Abendstunden kein bisschen. 30 Grad kurz vor Mitternacht. Kaum auszuhalten. Manchmal weht der Hauch einer Brise durchs Zimmer. Es kühlt nur virtuell. Alles klebt, Schweiß auf der Stirn. Warten auf Abkühlung. Berlin – ein Sommernachtstraum? Die Stadt hat längst das Hitze-Level von Athen, Istanbul oder Marrakesch

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Donna, donna

Wer kennt es nicht – dieses Lied mit der einprägsamen Melodie? Donna, donna wird oft gespielt und gemeinsam gesungen. Abends am See, mit Freunden, wenn das Feuer knistert und die Hitze des Tages weicht. Manche meinen, es sei von Donovan, andere bestehen darauf, es sei von Joan Baez. Alle haben nicht ganz recht. Das Lied ging in den Sechzigern um die Welt. Doch der Song hat tiefere Wurzeln. 1941 entstand „Donna, Donna“. Das jiddisches Lied erzählt von einem Kälbchen, das hilflos ist und sich nicht wehren kann. Es wird zur Schlachtbank geführt. Es träumt davon, eine Schwalbe zu sein, die ihr Schicksal selbst bestimmen kann. Das Lied war eine stille

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Was für ein Blick

Der Rand der Welt ist interessant, nicht die Mitte. Davon war die Ost-Berliner Fotografin Sibylle Bergemann zeitlebens überzeugt. Sie beobachtete den Wandel der Jahreszeiten, Menschen und Systeme. Niemand schaute so genau hin wie sie. Ihre Aufnahmen sind Dokumente feiner, fliehender, flüchtiger Momente. Meist beiläufig, stets unaufgeregt, gleichwohl sorgfältig und präzise. So hielt sie das Besondere im Banalen fest. Bilder zum Entdecken. Mit einem Augenzwinkern oder einem Aha-Effekt. Jetzt erinnert die große Ausstellung „Landläufig“ im Kurt-Mühlenhaupt-Museum in Bergsdorf bei Berlin an die vor acht Jahren verstorbene Künstlerin.     Sibylle Bergemann (1941-2010) sagte einmal: „Der Wandel hat die bekannten Zeichen vielleicht verwischt, aber nicht unkenntlich gemacht.“ Landläufig beschreibt die großen Veränderungen

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Mein Freund der Baum

Der kräftige Ahorn-Baum vor unserem Haus wankte, dann krachte er auf das Auto unserer Nachbarin. Ihr kleiner Sportflitzer war platt. Sie hatte Glück. Zwanzig Minuten zuvor war sie ausgestiegen. Das war im letzten Herbst als der Orkan Xavier über Berlin hinwegfegte. Die Feuerwehr zerlegte den Baum. Zurück blieb ein hässlicher Stumpf, aufgerissenes Pflaster und eine Lücke. Diese wird wohl lange bleiben.     Seit dem Orkan passierte neun Monate – eine ganze Schwangerschaft lang – nichts mehr. Außer einer rot-weißen Flatterleine, die notdürftig gespannt wurde. Der Berliner Amtsschimmel ruhte. Ende Juni 2018 ein kleines Wunder. Zwei freundliche Mitarbeiter einer Gartenbaufirma gruben das Wurzelwerk aus und transportierten den traurigen Rest ab.

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