Category : aktuelles

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Vorschlag für weiße Wände

„Alleen/Alleen und Blumen/ Blumen/Blumen und Frauen/Alleen und Frauen/Alleen und Blumen und Frauen und/ein Bewunderer.“ Dieses spanische Gedicht des Bolivianisch-Schweizer Poeten Eugen Gomringer (93) wird getilgt. Die Entscheidung ist gefallen. Das Ende eines monatelangen Kulturkampfes. Ein Kräftemessen, irgendwo zwischen Posse und sehr viel deutscher Prinzipienreiterei. Das Ergebnis: ein postmoderner Bildersturm. Nun werden die Wände übertüncht. Der „Allgemeine Studierendenausschuss“ der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin errang einen Sieg, die Kunst eine Niederlage.     Was nun? Kommen nun Gedichte mit Gender-Gerechtigkeit und künstlerischer Korrektheit bis zum letzten Komma? „Sexistische, rassistische oder sonstige diskriminierende Bezüge werden nicht akzeptiert“, heißt es. Die beauftragte Lyrikerin Barbara Köhler ist um ihren Auftrag nicht zu beneiden. Künftig sollen Schichttexte

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Kunst. Kommerz. Retter der Welt

Kunst entsteht im Kopf des Betrachters. Wahre, schöne Kunst gehört genau genommen allen. Sie schmückt die Menschheit, erzählt von ihrer Kraft, Kreativität und Leidenschaft. Ein Kulturgut. Doch gute Kunst ist knapp geworden. Nicht nur Immobilien schießen durch die Decke. Bilder sind längst das neue „Wandgold“ der Reichen und Vermögenden. 450,3 Millionen Dollar kostete vor kurzem das Ölbild Salvator Mundi, Retter der Welt. Eine Machtdemonstration. Schaut her, wem die Welt gehört. Der unbekannte Investor aus der Golfregion ersteigerte das Bild für den neuen Louvre-Ableger in Abu Dhabi. Vor sechzig Jahren war der Salvator exakt für 45 Pfund zu haben, das sind 51 Euro. Das reicht in den angesagten Restaurants der Welt

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Blick zurück im Zorn?

Eine berechtigte Frage: Hatte die kleine DDR jemals eine echte Chance? War sie nicht vom ersten Tag an eine Totgeburt? Zum Scheitern verurteilt? Aussichtslos im Wettlauf mit dem ganz großen Geld und angetreten gegen alle Gesetzmäßigkeiten von tausenden Jahren Menschheitsgeschichte: Das einzelne Menschenkind strebt eben nach Glück, Wohlstand und dem eigenen Vorteil. Der Ost-Berliner Fotograf Jürgen Hohmuth gibt mit seinen DDR-Bildern überraschende Antworten.     Hohmuths Blick zurück in den Alltag stammt aus dem letzten Jahrzehnt der DDR. Es sind die achtziger Jahre, die bleierne Zeit des VEB-Sozialismus. Die Mauer war unüberwindbar geworden, die Menschen hatten sich arrangiert, alle Versprechen waren abgenutzt. Stillstand. Nichts bewegte sich mehr. Nichts wurde wirklich

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Wer verdient was?

Das große Tabu. Was verdient die Freundin, der Chef oder die nette Kollegin von der Frühschicht? Tja. Wir wissen, dass Frauen im Schnitt gut zwanzig Prozent weniger verdienen als Männer. Aber wie ist es von gleich zu gleich, sozusagen auf Augenhöhe? Es bleibt in der Regel ein großes Geheimnis. Bloß keinen Neid schüren, wiegeln wortstark die Vertreter von Diskretion ab. Bitte Abstand halten. Leistung muss sich lohnen.     Manchmal erfahren wir von einzelnen Eskapaden. Vor einiger Zeit veröffentlichten Medien dank Football-Leaks Gehälter und Prämien von Mitarbeitern der Fußballbranche Ein Torwarttrainer verdient demnach mehr als der Filialleiter einer Bank. Ein einfacher Ersatzspieler kassiert in einer Saison mehr als der Klempner

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Zufrieden?

Rundum froh und zufrieden? Na? – Wohl kaum. Wer ist das schon? In Bachs kleinem Choral heißt es kurz und bündig: „Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gotte deines Lebens.“ Der Altmeister vertraute auf irdische Demut und eine höhere Instanz. Die meisten Menschen heutzutage haben andere Götter. Exklusive Clubs, Luxus-Resorts, hochgerüstete PS-Boliden oder andere Ersatz-Götter wie Gurus, Crystal Meth oder das Om-Mantra zur Selbstperfektionierung. Mit Bach ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen.     Wie sieht die Welt Anfang 2018 aus? Hunger, Krankheit und Krieg sind zu Beginn des dritten Jahrtausend nahezu besiegt. Es ist gelungen, diese jahrtausendalten Menschheitsplagen „im Zaum zu halten“. Diese These setzt Yuval Noah

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Bäuerin sucht Wohnung

Nennen wir sie Li Si. Wie bei Michael Endes Geschichte von Jim Knopf und Lukas. Li Si ist keine Märchenprinzessin, keine Comicfigur. Sie ist Bäuerin. Aufgewachsen in einer kleinen Hütte mit einfachen Mao-Möbeln. Das ganze Leben Arbeit von früh bis spät. Li Si ist eine von vielen Millionen Chinesen, die gerade ihre Sachen packen. Einige freiwillig, die meisten still und genügsam. Die Partei hat es angeordnet. Die Volksrepublik setzt ihren ehrgeizigen Modernisierungsplan um. Bis 2020 sollen rund Hundert Millionen Bauern Städter werden. Der Plan: Wohlstand durch Urbanisierung.     Ein dreißig Punkte umfassender Nationalplan Pekings sieht vor: Elf Ballungszentren werden auf Reisfeldern aus dem Boden gestampft: mit „hochwertigen Arbeitsplätzen und

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Ball im Korb

Was geschieht, wenn zwei Außenseiter aufeinandertreffen? Wenn ein schwarzer Lulatsch in eine traditionsreiche aber verschlafene Unistadt zieht, um dort mit seinem Talent eine Randsportart nach vorne zu bringen? Dann kann sich eine gute Geschichte entspinnen. Im Glücksfall sogar ein richtig toller Wurf. In diesem Fall hat der Ball in den Korb gefunden. Es geht um „Deutschland für eine Saison. Die wahre Geschichte des Wilbert Olinde Jr.“ Dieses Buch erzählt von einem deutschen Basketball-Märchen, das bis heute anhält. Autor Christoph Ribbat, ein Anglistik-Professor, ist eine beeindruckende Nahaufnahme der Göttinger Basketball-Legende Wilbert Olinde gelungen. Ende der siebziger Jahre war Wilbert einer der ersten schwarzen Profis in der provinziellen deutschen Bundesliga. Für eine

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Über den Wolken

Weihnachtsfeier der Ehrenamtlichen in einem Berliner Krankenhaus. Es gibt Kekse, Glühwein und gemütliches Beisammensein. Die meisten in der Runde gehören zur Generation der Baby-Boomer. Geboren in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Kinder des Wirtschaftswunders. Am Ende wird ein Text verteilt, dann gesungen. Es ist ein altes Lied von Reinhard Mey. Es heißt: „Ich denk`, es war ein gutes Jahr.“ Ein Raunen geht durch die Runde. Zustimmung. Freude. Alle singen mit. Der Liedermacher ist hier bekannt und beliebt.                                              „Ich denk`, es war ein gutes Jahr.“ Du kommst, den Arm um mich zu legen, Streichst mit den Fingern durch mein Haar: „Denk` dran, den Holzscheit

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Babylon Berlin – Dan, Silvio, Mike und all die anderen

Jeder ist seines Glückes Schmied, heißt es. An einer Häuserwand hängt ein Plakat: „Grundeinkommen für alle“.  An einem Hauseingang reden zwei Rollator-Alte über Rüpel-Radler auf Gehwegen und die Wucht von Schlaganfällen. Während sie Krankenberichte austauschen, beobachten sie junge Eltern, die wiederum ihre Fahrradhelm-bewehrten Sprösslinge beaufsichtigen. Die kleine Parkanlage in Berlins Mitte ist eine Oase. Und eine Art Volksbühne. Freier Eintritt. Schauspieler, Inszenierungen und Publikum wechseln. Ein Kommen und Gehen. Ein Passant, vielleicht Anfang vierzig, trägt seinen Rucksack fluchend zur Parkbank. Dort stellt er ihn umständlich ab, beginnt laut auf ihn einzureden. Es muss eine slawische Sprache sein. Ich vermute Polnisch. Aber klar wird, der Rucksack ist sein Gegner. Ist es

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Babylon Berlin – Uwe

„Um Berlin in seiner jetzigen Verfassung zu malen, müsste man den göttlichen Dante Alighieri bemühen, welcher die Hölle und das Fegefeuer zu schildern wusste.“ Dieser Satz ist gut hundert Jahre alt. Der Schriftsteller und Chronist Alfred Kerr notierte ihn 1896 und schilderte in einer Mischung aus Faszination und Entsetzen, wie sich die neue Hauptstadt häutete. Heute steht an den Häuserwänden: „Leute kauft Deckel! Die Welt ist bald im Eimer.“ Der nachfolgende Text stammt aus dem September 2017.     „95% der Obdachlosen sind an ihrem Schicksal selbst schuld“ erklärt Uwe. Der Mann mit dem Rauschebart sitzt im Schneidersitz vor der S-Bahnstation, solange Tageslicht ist. Er könnte jederzeit bei einem Karl

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