Category : aktuelles

Über Vater und Sohn

Bruce Springsteen. Der Boss. Zwei neue Bücher, ein altes Thema. Die Einsamkeit des Künstlers. Viele Jahre litt der US-Rockstar unter Depressionen – das schreibt er selbst in seiner Autobiografie. Als sein Vater 1998 starb, holte ihn der „Schwarze Hund“ ein. Doug Springsteen hatte seinen Sohn ein Leben lang schikaniert. Mithilfe von Ärzten, Medikamenten und Ehefrau Patti fand er wieder aus dem Tief. Bruce: „Wenn sie den Güterzug sieht, der Nitroglyzerin geladen hat und aufs Entgleisen zusteuert, dann bringt sie mich zum Arzt und sagt: ‚Dieser Mann braucht ein Pille‘.“   Bruce Springsteen verkörpert wie kein anderer das andere, bessere Amerika. Der ehrliche Arbeiter. Bodenständig, zuverlässig, geradeaus. Ein Working Class Hero.

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Marlene unter uns

„Wo denn das Grab der Dietrich sei“, frage ich eine ältere Dame mit grüner Gießkanne. Schnurstracks antwortet die Berlinerin: „Folgen Sie mir. Sie liegt direkt neben meinem Mann.“ Wir gehen einige Reihen auf dem Friedhof Friedenau entlang. Die Frau volle Kanne vorneweg. „Da ist sie.“ Wir stehen vor dem Ehrengrab der Marlene Dietrich. „Es wird kaum gepflegt. Eine Schande. Die Blumen verdorren. Keiner räumt sie weg. Ach…“ Die Witwe macht eine stumme wegwerfende Handbewegung, wendet sich ab, gießt ihren Mann.     „Hier stehe ich an den Marken meiner Tage“, lese ich. Hier ruht sie also. Die Grand Dame des deutschen Films. Geliebt, gehasst, umstritten, gefeiert. In Paris einsam gestorben,

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Is mir egal

„Erster Schultag in Berlin. Die Kinder haben noch keinen Stundenplan, aber am zuckerfreien Vormittag wurden schon mal die Namen getanzt.“ Notizen vom Prenzlauer Berg. Die Hauptstadt ist aus den Ferien zurück. Und – wie gewohnt – funktioniert nichts richtig. Das Finanzamt ist abgetaucht. Das Bürgeramt Kreuzberg schickt verzweifelte Bürger wieder weg, die bereits zum fünften Mal einen ausgefüllten Antrag abstempeln lassen wollen. Warum? – Antwort des Amtsträgers: „Ganz einfach – weil ich nicht will!“ Das ist Berlin. „Is mir egal“, ein Werbespot der hauptstädtischen Verkehrsgesellschaft BVG hat längst Kultstatus erlangt. Sechs Millionen Menschen können nicht irren. Eigentlich sollte gegen Schwarzfahren geworben werden, doch die eigentliche Botschaft ist überall angekommen. Ist

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Wir brauchen einen Willy

Die Bundesrepublik ist mittlerweile 67 Jahre alt. Das Land hat bei allen Fehlern ein paar Dinge geschafft: die längste Wohlstandsphase seit Menschengedenken, die stabilste Friedensperiode der deutschen Geschichte und eine Vereinigung, die den Kalten Krieg ohne einen einzigen Schuss beendete. Selbst die skeptischen Briten erklären die Deutschen in BBC-Umfragen regelmäßig zum populärsten Land der Welt. Und die Deutschen selbst? Sie maulen, meckern und folgen zunehmend denen, die Angst und Schrecken beschwören. Man könnte meinen, die Welt gehe bald unter. Und nur eine Kraft kann sie retten: die AfD. Die Stärke der AfD ist eindeutig die Schwäche der etablierten Parteien. CDU, SPD und Grüne gelten als verbraucht und unfähig Probleme zu

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Im Haus des Volkes

In diesen Tagen holt zahlreiche Bundestagsabgeordnete eine alte Affäre um teure Füller ein. Wie „Bild“ jüngst herausfand, orderten vor einigen Jahren Mitglieder aller Fraktionen wertvolle Schreibgeräte. Selbst Abgeordnete der Linken wurden mit Luxusfüllern der Marke Montblanc im Wert von 2.900 Euro versorgt – umsonst. Ob mit solch edler Tinte die Abgeordneten-Qualität gesteigert werden konnte, bleibt das Geheimnis der Volksvertreter. Was aber jenseits von  aufgebauschten Aufregern die Abgeordneten wirklich leisten, hat Roger Willemsen in einem beispiellosen Selbstversuch erkundet. Ein Jahr lang besuchte der viel zu früh verstorbene Publizist alle Plenarsitzungen im Reichstag. Er saß auf der Besuchertribüne, staunte, wunderte, ärgerte und langweilte sich. Manchmal war er der Einzige, der den Hervorbringungen

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Das Glück am Bass

Der Bass bleibt in der Regel für Struktur, Begleitung und Tiefe zuständig. Der Bassist ist überwiegend männlich, still und im Hintergrund. Als Solo-Instrument im modernen Groove übernimmt er vorzugsweise eine dienende selten eine aktive Rolle. Nicht so bei Kinga Glyk. Virtuos entwickelt die Polin auf ihrem Bass eine eigene Handschrift, die überrascht und überzeugt. Kinga ist 19 Jahre alt. Sie gilt als eines der Super-Talente im europäischen Jazz. Sie hat eine große Zukunft vor sich.     Kinga ist ein polnischer Vorname und bedeutet auf Deutsch Kunigunde. Glyk kommt aus dem Griechischen und steht für „süß schmeckend und Zucker“. Kinga Glyk stammt aus einer polnischen Musikerfamilie. Ihr Vater Irek ist

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Die Nacht im Eimer

Der Malerfürst Georg Baselitz liebt es kräftig, klar und am besten so richtig deftig. Seine Helden sind gegen den Zeitgeist gemalte grandiose Anti-Helden. Gebrochen, geheimnisvoll, verstörend. Sie sind gerade im Frankfurter Städel-Museum zu sehen. Berühmt wurde der gebürtige Sachse mit einem Geniestreich. Seit Ende der sechziger Jahre stellt er seine Motive einfach auf den Kopf. Verkehrte Welt, das Markenzeichen von Baselitz. Warum? „Ich war ein sehr aufmüpfiger, renitenter Typ und musste unbedingt was machen, was ich mir vorstellte, dass es nicht existiert in der Kunst.“ 1938 kam er als Hans Georg Kern in Deutschbaselitz auf die Welt. Der Vater ein Nazi. Seine Heimat ein kleiner Ort in der Oberlausitz, wo

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Pardon me

Musik liegt im Blut. Musik ist ihr Leben. Kein Wunder. Die Jazz-Sängerin Jessica Gall stammt aus einer alten Berliner Musikerfamilie. Die Großmutter war klassische Pianistin, der Großvater Sänger. Ihr Vater tourte mit einer Kindertheater-Show durch die DDR. Die 36-jährige hat mittlerweile selbst zwei Kinder. Sie liebt die leisen, aber stimmungsvollen Töne. In hippen Mitte-Szenecafés ist sie nicht anzutreffen. Dafür legt sie lieber alle paar Jahre ein neues starkes Album vor.     Die Berliner Jazz-Szene ist nicht gerade mit weiblichen Stimmen gesegnet. Pascal von Wroblewsky und Jocelyn B. Smith geben seit vielen Jahren den Ton an. Jessica Gall hätte das Zeug zu einer großen Karriere. Sie ist eine Entdeckung wert.

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Erfolg macht blind

Was kostet zerstörtes Vertrauen? 15 Milliarden, 30 Milliarden, 100 Milliarden Euro? So weit reichen die Schätzungen im Fall VW. So teuer könnten die Abgas-Betrügereien an elf Millionen Dieselautos werden. Ein Fiasko. VW taumelt vom weltgrößten Autohersteller, so der einstige ehrgeizige Plan, in den größten GAU seiner Firmengeschichte. Jedem Unternehmen ohne inneren Kompass, Werte und Vertrauen in die Mitarbeiter kann ein solches Schicksal blühen. Immer dann, wenn Erfolgstreben blind macht. Ende Mai 2016 konnte Psychotherapeut Günter Funke vor 400 VW-Führungskräften zum Thema Vertrauen, Verkaufszahlen und Erfolg seinen letzten Vortrag halten. Der Kern seiner Ausführungen lautete: „Wenn Erfolg Recht gibt, dann ist jeder Betrug, der zum Erfolg führt rechtens“. Hier einige Auszüge

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„Kommt zur Vernunft“

Viele Deutsche träumen von einem, der durchgreift. Der sagt, was Sache ist. Der handelt und regiert, statt zu diskutieren oder abzutauchen. Es ist der Wunsch nach einem aufgeklärten Herrscher. Es muss ja nicht unbedingt der Putin sein, heißt es, eher so einer wie der „alte Fritz“. Dieser König – Friedrich II von Preußen auch „Friedrich der Große“ genannt – erlebt eine Renaissance. Er war ein typischer Barockherrscher, sozial und rücksichtslos, bescheiden und luxusliebend, bemüht um gute Herrschaft, aber leichtfertig mit den Menschen. Er verfasste fünfzigtausend Gedichte in französischer Sprache. Deutsch war für ihn die Sprache der Pferdekutscher. Aber wer war der Große? Sein Trauma: die frühe Zwangsheirat mit Elisabeth Christine,

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