Category : aktuelles

Der Schatz von Krefeld

„Tableau No. VII“, „Tableau No. X“, „Tableau No. XI“ aus dem Jahre 1925 und „Komposition IV“ aus 1926 hängen akkurat in Reih und Glied an einer weißen Wand in Krefeld. Ein Quartett der Extraklasse von Piet Mondrian, dem Meister der Moderne. Der ganze Stolz des Kaiser-Wilhelm-Museums. Schätzwert rund 200 Millionen Euro. Dummerweise verklagen jetzt die Mondrian-Erben das NRW-Museum vor einem US-Gericht. Begründung: Der Schatz gehöre den Krefeldern nicht. Von wegen, kontern die Hausherrn. Die Bilder seien Ende der Zwanziger für eine geplante Ausstellung über die Moderne bereitgestellt und nach dem Krieg per Zufall “aufgefunden” worden. Bei dem Erbstreit geht es um sehr viel Geld. Ein lukratives Geschäft für Anwälte.  

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Auf dem Weg zur Diktatur des Coronats?

Ein mausgrauer Novembertag. Einst Feiertag, manchen noch als Buß- und Bettag bekannt. Rund um den Reichstag demonstriert ein vielköpfiger Haufen von Corona-Leugnern wütend und unverhüllt gegen ein neues Gesetz. Die Versammelten in Berlin, laut Polizeiangaben rund 7.000, vergleichen die Novelle des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. Damals entleibte sich der Reichstag mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ selbst. Ein Akt der Gleichschaltung auf Betreiben der NSDAP, nur die SPD stimmte dagegen. Die KPD-Abgeordneten waren bereits verhaftet oder geflüchtet. Mit dem Ermächtigungsgesetz wurde die Weimarer Republik abgeschafft und der Führerstaat eingeführt. Am Ende dieses trüben Novembertages ergibt sich folgende Bilanz: Eine symbolische Wasserschlacht

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Wo ist der arme Poet?

In einer Dachstube hat sich der arme Schlucker in sein Bett verkrochen. Der Ofen ist aus. Das Dach ist undicht, selbst der Regenschirm hat Löcher. Vermutlich sucht er nach den richtigen Zeilen, hofft auf eine göttliche Eingebung. Was immer man im Bildnis des Überlebenskünstlers sehen möchte: Der arme Poet von Carl Spitzweg aus dem Jahre 1839 ist ein Lieblingsbild der Deutschen. Spitzweg hat es selbst wenig Glück gebracht. Die ersten Kritiken waren so vernichtend, dass Spitzweg seine Bilder nicht mehr mit seinem Namen signierte. Als er seinen Poeten 1841 dem Münchner Kunstverein anbot, lehnte die Jury kühl ab. Der brave Poet mit der Biedermeier-Schlafmütze sollte das Meisterwerk von Spitzweg werden.

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„Jetzt kommen neue Zeiten“

Heils- und Hassprediger fahren in diesen Tagen Sonderschichten. Im Internet – unserer Neuen Heimat – verbreiten sich Spreader aller Farben, Formen und Fähigkeiten. Sie zeigen mit dem Finger auf andere ohne rot zu werden, Zynismus geht besonders gut. Entertaiment at it´s best. Wir amüsieren uns zu Tode. Der US-Medienwissenschaftler Neil Postman bemerkte: „Jeder Trottel kann ein Star werden, das ist das Grundprinzip. Es ergibt sich eine doppelte Perspektive. Der Zuschauer kann sich in das Geschehen hineinträumen, er wolle ein Star werden, und er nimmt am Selektionsprinzip teil. Ein gemachter Superstar, eine Schöpfung aus dem Nichts“. Postmans Zeilen sind 35 Jahre alt. Das Internet kannte er nicht, es steckte noch in

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Born in the USA

„They are very good people“, twitterte der Präsident der Vereinigten Staaten, als im Frühjahr hochgerüstete „Proud Boys“ das Capitol von Michigan stürmten. Anfang Oktober 2020 zerschlug das FBI eine Verschwörergruppe und nahm dreizehn selbsternannte Kämpfer fest. Die Michigan-Milizien wollten Gretchen Widmer, die demokratische Gouverneurin von Michigan, entführen, um die Macht zu übernehmen. Der Vorwurf: Widmer begehe „Verrat an den USA“, weil sie einen harten Kurs in der Corona-Pandemie fährt. Präsident Trump schürt auch nach deren Verhaftung das Feuer weiter. „Ihr müsst eure Gouverneurin dazu bringen Euren Staat zu öffnen“. Seine Anhänger antworteten mit einem Trump-Slogan aus dem Wahlkampf 2016: „Sperrt sie ein!“ Trump ergänzte die Sprechchöre mit einem: „Sperrt sie

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Lachen über A.

New York. Große Kino-Premiere in Manhattan an einem Herbstabend Mitte Oktober 1940. Auf der Leinwand erscheint „Der große Diktator“. Charlie Chaplins erster Tonfilm überhaupt. Die Hitler-Parodie wird ein Kassenmagnet. Zwar mäkeln einige Kritiker, der Zweistundenfilm sei an manchen Stellen zu kitschig geraten. Doch die Verwechslungskomödie vom kleinen Friseur Anton Hinkel und dem großen Diktator A.H. trifft den Nerv in einer Zeit, in der Hitler in Europa von Sieg zu Sieg eilt. Chaplins Meisterwerk spielt im Tomanischen Reich. Mit dabei sind Gorbitsch-Goebbels und der dicke Hering-Göring. Diktator Hinkel benutzt am liebsten sein Schimpfwort „Schtonk“. Demokratie ist Schtonk! Liberty ist Schtonk! Free Sprecken ist Schtonk!     Perfektionist Chaplin sagte über seinen

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„Mein Herz ist ein Automat aus Blech“

Eine junge Frau wartet auf den Zug. Am Bahnsteig lockt sie ein Snackautomat. Sie sucht nach Münzen. Plötzlich springt ihr Zwillingsbruder vor den einfahrenden Zug. Das Einstiegsszenario für Olivia Wenzels Debut 1000 Serpentinen Angst. Mit Vollgas und Wumms legt sich die Autorin in die Kurven, rast um die Welt. Von ihrer Heimat Thüringen über Berlin, Vietnam bis nach New York. Ihr Road Movie erzählt von der wilden Reise einer jungen Ostdeutschen auf der Suche nach dem kleinen und großen Glück. „Ich komme aus einer Familie, in der die Idee, sich so weit wie möglich von sich selbst zu entfernen, übertrieben romantisiert wurde“. Die junge Glücksucherin ist Kind einer DDR-Punkerin und

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„Weltaugenblick“

Berlin in einer kalten Januarnacht 1919: „Abends in einem Kabarett in der Bellevue Straße. Rassige spanische Tänzerin. In ihre Nummer krachte ein Schuss hinein. Niemand achtete darauf. Geringer Eindruck der Revolution auf das großstädtische Leben“. Schüsse und Straßenschlachten betrachten die feierwütigen Bohemiens allenfalls als lästige Störung, „wie wenn ein Elefant einen Stich mit einem Taschenmesser bekommt“, notiert der Gesellschaftsbeobachter Harry Graf Kessler Anfang der zwanziger Jahre. Exakt vor hundert Jahren am 1. Oktober 1920 lernt Groß-Berlin – wie wir es heute kennen – das Laufen. Acht selbständige Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke sind per Gesetz zusammengeschlossen worden. Über Nacht katapultiert sich diese Ansammlung von märkischen Dörfern zur drittgrößten Metropole

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Die Hauptmänner von Köpenick

Die Stufen zum imposanten Rathaus Köpenick hinauf. „Wo wollen Sie hin?“ schnarrt es aus der Pförtnerloge. „Zum Hauptmann.“ – „Dann tragen Sie sich mal ein. Name, Adresse. Beginn und Ende des Besuchs!“ hallt es preußisch-knapp durch die Lobby. Ohne Formular geht nichts. Nicht in Corona-Zeiten, nicht in Köpenick. Wenn die Formalitäten erledigt sind, darf der Besucher – „den Gang rein, dann rechts rum!“ – zwei kleine Ausstellungsräume besuchen. Es lohnt sich. Über den Schuhmachergesellen und „Berufsverbrecher“ Wilhelm Voigt ist Spannendes zu erfahren. Über seinen „Geniestreich“ vom Herbst 1906. Als er das kaiserlich-militärische Berlin vorführte, mit seinem Uniformtick, dem Prinzip „Befehl ist Befehl“ und Kadavergehorsam bis in die Haarspitze. So eroberte

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Görlitzer Blütenträume

Juni 1989. Der Bus rast durch die Straßen von Görlitz. Ein schwarz-weißer Streifen aus Gebäuden, Gassen und Plätzen huscht am Fenster vorbei. Hier abgestützte Balkone, dort ein gesperrter Straßenzug. Soll hier ein Kriegsfilm gedreht werden? Der Fahrer drückt auf die Tube. Das Ziel des Reisebusses mit seiner Ladung Journalisten an Bord ist die Stadthalle von Görlitz. Wie ein schwarzer Riese wartet der Jugendstilpalast am Ufer der Neiße. Ich bin Teil einer PR-Fahrt der DDR-Regierung, die stolz ihre „einseitigen Abrüstungsschritte“ in Görlitz verkünden will. Um nichts Geringeres als den Weltfrieden geht es an diesem warmen Frühsommernachmittag. Die Medienmeute wird aus dem Bus komplimentiert. „Links rum, keine Sperenzchen, keine Extrawurst“, ruft der

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