Category : aktuelles

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Flieg, Amsel, flieg

Abheben, Fliegen, Frei sein. Paul McCartney packte in seine zwei Minuten und zwölf Sekunden Blackbird alles, was ihn bewegte. Er verdichtete das wilde Jahr 1968 in wenige Zeilen. Aufbruchstimmung. Protest. Hoffnung. Ausrufezeichen einer Generation, die unbeschwert an ein besseres Morgen glaubte. Blackbird fly into the light. Musikalisch inspiriert durch Johann Sebastian Bachs Bourée griff McCartney die alltägliche Diskriminierung der schwarzen Minderheit in den USA auf. Die Amsel verkörpert für ihn eine Frau, die sich schlimmsten Attacken ausgesetzt sieht. Nur wegen ihrer Hautfarbe. „Anstatt konkret zu werden und von einer ‚schwarzen Frau in Little Rock‘ zu singen, wurde diese Frau zum Vogel, ein Symbol, das die Zuhörer dann auf ihr spezielles

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Nichts müssen

„Nichts machen, nichts wollen, nichts müssen! – Einfach sein.“ Was für ein einfacher, bestechender Gedanke. Einmal die Woche zählt nur diese Erfahrung – für eine Viertelstunde. Entspannen. Loslassen. Abtauchen. Keine Termine, keine Hektik. Keine Konkurrenz, keine Konflikte. Keine bange Frage – wie schaffe ich das nur? Dann weckt die Yoga-Lehrerin ihre versammelten Zöglinge mit der Klangschale. Runter von der Matte. Zurück ins Leben. Auf zu neuen Taten. John Metcalfe kommt vom anderen Ende der Welt. Geboren und aufgewachsen in Neuseeland, fand er in London eine neue Heimat. Der 55-jährige Komponist sucht den richtigen Ton. Für sich und seine Zuhörerschaft. Der Bratschist entdeckt mit Hilfe der Musik die Welt, wandert durch

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Schiller. Punkt!

„Der ist allein glücklich und groß, der weder zu gehorchen noch zu befehlen braucht, um etwas zu sein.“ Stimmt das noch? Über zweihundert Jahre sind diese Worte alt. Damals gab es weder Trump, Twitter, Selbst-Optimierungsstrategen und digitalen Pranger. Die Gedanken sind frei, hieß es vielmehr. So einfach formulierte es dieser schwäbische Freigeist. Schiller sein Name. Er mochte das Pathos, liebte die Freiheit, kämpfte für seine Ideale. Als er 1805 starb, sollte er bald auf Berlins schönsten Platz – den Gendarmenmarkt – befördert werden. Doch das dauerte. Noch zu seinem hundertsten Geburtstag im Jahre 1859 verboten die Preußischen Behörden einen geplanten Straßenumzug – aus Angst vor Unruhen. Dennoch wurden Zehntausende Taler

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Zimmer frei

Anfang 1990. Ein Mecklenburger steht am Gartentor. Zigarillo im Mund. Er fixiert den Fotografen. Auf den ersten Blick wirkt der Mann misstrauisch-skeptisch. Dabei versprechen seine Schilder das pure Gegenteil: Gastfreundschaft und ein warmes Bett. „BRD-Bürger. Übernachtung kostenlos.“ Dreißig Jahre später lächeln wir über seine Offerte. Beim Nachdenken spüren wir wie sich die Zeiten geändert haben. Ob jemals ein Bürger aus der BRD das Angebot angenommen hat, wissen wir nicht. Was heute dominiert, das wissen wir wohl. Geschäftssinn statt Gastfreundschaft. Fremdeln mit allem Fremden, so tickt der Zeitgeist. Zimmer frei? – Umsonst? – Für Fremde? – Wer ein Nachtquartier sucht, der bekommt es heute nur für Zahlung im Voraus. Dreißig Jahre

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Wenn der Asphalt glüht…

…und der Aufzug stehen bleibt. Die U-Bahn stoppt. Das Internet schweigt. Alle Lichter verlöschen. Das Wasser aus dem Hahn versiegt. Dann herrscht der Black-Out. In New York, der Mutter der Städte, ist in diesen Sommer dieser Notfall bereits zweimal eingetreten. Die totale Havarie. K.O. in der 12-Millionenstadt, die nichts dringender in ihren Adern braucht als pulsierenden Strom. Einmal gingen in Manhattan die Lichter aus, auch am Time Square. Ein anderes Mal in Brooklyn. Stundenlang. Auch die Berliner kennen das. Manchmal trennen tollkühne Baggerfahrer zielsicher die Zufuhr mit lebensnotwendigem Saft aus der Steckdose, weil sie punktgenau die Hauptleitung lahmlegen.   Über den Dächern New Yorks. Cory Henry & The Funk Apostles.

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Zauber im Gutspark

Ein Sonntagabend im Juli. Das Theaterdorf Netzeband in der Prignitz, nördlich von Berlin. Eine gute Autostunde entfernt. Die Kindervorstellung ist beendet. Die Besucher abgereist. Auf den Terrassen vor der Kirche studiert der Regisseur mit Schauspielern und großem Eifer „Ellernklipp“ ein. Das neue Stück vom Alt-Meister Fontane. Der märkische Goethe reflektiert über Blumen-Unkraut. „Und wer den Todten Blumen streut, der streut sie, denk´ ich, auch den Lebenden.“ Fontanes Stimmen hallen lautsprecherverstärkt durch den Park. Auf der Wiese posieren junge Mädchen für ihre Smartphones. Sie schlagen Rad, bringen sich in Position, werfen ihren Kopf nach hinten, streichen sich verführerisch durchs Haar. Hände in die Hüften. Brust raus, den Kopf zur Seite, ein

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Der Tintensklave

Fontane? Mmmh. Dieser preußische Goetheverschnitt und Märkische Heimatdichter? Ein Fall für Gestrige und angestaubte Geister, sagen viele. Einer für Deutsch-Lehrerinnen und Männer-Gesangsvereine. Aber nichts für Menschen von hier und heute. Tja. Der Meister sagte über sich selbst, er sei „mit nichts ausgerüstet als einem poetischen Talent und einer schlecht sitzenden Hose“. Dieses Talent zu würdigen, schlägt des Dichters Geburtsstadt Neuruppin, eine Autostunde von Berlin entfernt, mächtig auf die Werbetrommel. Der 200. Geburtstag ist zu feiern, mit Worten, Taten, Ausstellungen, Inszenierungen und dem ganzen Gedenk-Gedöns. Fontane gibt es natürlich auch als Playmobil-Figur. Das kleine Neuruppin geht den großen Fontane 2019 sehr ambitioniert an. Nicht was der Dichter geschrieben hat, steht im

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Aus Kellern und Dachböden

Wer ist Anna Hönigsberg? Sie „wohnte“ im Block L112. In Theresienstadt. „Judenlager.“ Eine alte Postkarte, abgeschickt in Italien von einer Melanie Friedrich, abgestempelt am 13. Mai 1943. Ist die Karte angekommen? Wurde sie gelesen? Was ist aus den beiden Frauen geworden? Aus Absenderin und Empfängerin? Lukas Lev winkt ratlos ab, genau wie sein Freund Jiri Smutny. Die beiden Tschechen haben diese Karte gefunden. Und viel mehr. Briefe, Ghetto-Ausweise, Essensmarken, Flaschen, Teller, Besteck, Knöpfe, Ringe, Schmuck. Sogar eine Handgranate, die stammt allerdings aus dem I. Weltkrieg.     Spuren menschlichen Lebens. Ausgegraben aus meterdickem Schutt in Kellern und auf Dachböden im einstigen Ghetto Theresienstadt. Anna Hönigsberg war im Haus L112 interniert.

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Blicke

Zu den Schönen, Kreativen, Wichtigen zu zählen, ist ein gutes Gefühl. Es ist aber auch anstrengend. Immer on top zu sein. Eine Einladung zu haben. Das Bändchen am Gelenk tragen zu können. Berlin brummt. Jeden Abend feiert die Szene sich selbst. Welche Szene? Es gibt im Swinging-Berlin der späten Zehner-Jahre so unendlich viele wie Tage im Jahr. Oder noch mehr. 24/7. Selbst Profis kommen ins Schwitzen. Wohin gehen? Wen muss man kennen? Was darf man auf keinen Fall verpassen? Film und Fernsehleute, Kunst, Theater, Literatur dazu die versammelte Lobbyisten-Blase aus Politik, Wirtschaft und Investment von Bitcom bis zum Bundesverband der Brauer begehen unentwegt jeden Abend ein Come-Together. Ein Event. Oder

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Mehr Wibke wagen

Was diese Frau alles bewegte. Wibke Bruhns präsentierte die ZDF-Nachrichten – als erste Frau im Blümchenkleid. Damals eine Sensation in der westdeutschen Männerwelt. Fast fünfzig Jahre ist es her. Und stets die gleiche Frage: wie war´s beim ersten Mal? Saß die Frisur? Gab es einen Versprecher? Wibke: „Wir durften an dem Text nix machen zum Wohle der Grammatik. Der langweiligste Job meines Lebens.“ Aber sie wollte keine „Sprechpuppe“ sein. War sie auch nie. Einfach nur Nachrichten verlesen war nicht ihr Ding. Wibke Bruhns mischte sich ein, machte 1972 Wahlkampf für die SPD, für Willy Brandt. Als Nachrichtensprecherin. Das war damals noch möglich und führte zielsicher zum Skandal. Ein einziger Shit-Storm

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