Category : global

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Sommergäste

Es ist ein Erlebnis – dieses irre Gefühl, in der Dämmerung am Rande des Flusses zu sitzen. Einen weichen Teppich von Sand, Gras und Blättern unter den Füßen, mit dem Wind, der die Bäume und Sträucher zu einer beweglichen lebendigen Kulisse werden lässt. Mit den Stimmen der Natur, die sich scheinbar endlose Wortduelle liefern. Alles wirkt so natürlich-irdisch, zum Greifen nah. Der Fluss, die Wiesen. Das Ufer auf der anderen Seite. Die Ruhe. Die sich leerenden Dörfer Brandenburgs rücken ins Visier der städtischen Kopfarbeiter, der Theatermacher, Literaten und Soziologen. Mit der Schrumpfung sind die Rückkehr der Wölfe und neuer Sehnsüchte verbunden. Das kleine Strodehne an der Havel hat bereits eine

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Homeland

„Brot kann schimmeln. – Du kannst gar nichts.“ Kurzer Schlagabtauch in einer Dorfkneipe. Tresen-Weisheiten. Der gemeine Brandenburger macht nicht viel Aufheben. Er verliert nur wenige Worte. Die trockene Pointe zählt. Brandenburg stammt von Branten. Es ist ein altes Wort für Pratzen oder Tatzen, in dem klanglich „Bandenburg“ mitschwingt. Da liegt doch die Geschichte vom störrischen Esel Buridan nahe, der zwischen zwei vollen Heuhaufen wählen, aber sich nicht entscheiden kann. Am Ende verhungert er. „Es ist nicht alles Chanel es ist meistens Schlecker, kein Wunder dass so viele von hier weggehen, aus Brandenburg. Da stehen drei Nazis auf dem Hügel und finden keinen zum Verprügeln, in Brandenburg. Brandenburg, ich fühl‘ mich

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Fasanenjagd im Englischen Garten

An einem keineswegs geruhsamen Ostersonntag notiert Victor Klemperer in sein Tagebuch: „Kommunion und Kommunismus, Ludwigstraße und Schellingstraße, sind buchstäblich schwarz von den Tausenden, die aus der Messe strömen.“ Es ist der 20. April 1919. In München herrscht seit drei Wochen eine Sowjetrepublik. Es ist Weltrevolution in Schwabing. Klemperer schreibt für die erzkonservative Leipziger Neuesten Nachrichten Revolutionsberichte aus der bayrischen Unruhe-Metropole. Unter dem Pseudonym Anti-Bavaricus notiert er am 20. April 1919: „ Kein Tag, an dem dieses gewissenlose Jagen, das eine bloße Gaudi ist, nicht seine Opfer fordert. So stirbt man für die Freiheit! Das Fahren ist Gaudi, das Knallen auch. Man kann jetzt schöne Fasanenfedern, wie Bajonette an den Gewehren

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Mit dem Rad durch die Mark Brandenburg

Meide vielbefahrene Straßen! Radfahrer jedweder Couleur gelten als natürliche Gegner eines durchschnittlichen Automobilisten. Meide idyllische Waldwege! Du versinkst zielsicher im märkischen Sand. Sei zurückhaltend und erwarte Nichts! Dann werden die Menschen dieser großartigen Landschaft mit endlos gelben Rapsfeldern und tiefblauen Seen freundlich und auskunftsbereit deine Tage und Stunden verkürzen. „Jeder nach seiner Fasson!“ Des fritzschen Preußenkönigs Motto begleitet uns, immerwährend und hoch aktuell. Jeder wie er will und wie er kann. Frage an einen Museumsmitarbeiter in einer touristischen BUGA-Stadt, wie es denn laufe? Antwort: – „Katastrophe! Zu viele Menschen. Voll wie auf dem Bahnhof. Kaum auszuhalten.“ Frage an eine Kellnerin in Otto Lilienthals Absturzort Stölln. Wo genau ist er damals

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Fliegen wie ein Adler

Das Haus der Flugpioniere Otto und Gustav Lilienthal in Anklam steht nicht mehr. Zerstört im Krieg. Genau wie die nahe und mächtige Nikolaikirche mit einem Turm von imposanten 103 Metern Höhe. Einst Lotsenpunkt für die Kapitäne der Ostsee. Doch der Turm ist weggeschossen worden. Am schwärzesten Tag der Stadt, am 29. April 1945. Das kleine Städtchen Anklam im äußersten Nordosten Deutschlands hat eine Geschichte wie Ikarus. Früher stolze und reiche Hansestadt an der Peene brachen erst die Nazis, dann die SED-Sozialisten der Stadt das Genick. 1943 zerstörte ein Angriff der US-Luftwaffe die Innenstadt. Ende April 1945, am letzten Kriegstag wurde Anklam zu 85 Prozent dem Erdboden gleich gemacht. Ritterkreuzträger Erich

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Leben und Struktur

„Am Kanal entlangspaziert auf der Suche nach einem guten Ort. Unter der Fennbrücke steht eine kleine Bank, dahinter ein schmaler Streifen mit Geländer zum Nordhafen. Ich sitze Probe auf der Kante, fühle mich aber nicht ganz wohl“, notiert Bestsellerautor Wolfgang Herrndorf am 22. Oktober 2012 um 21.15 Uhr in seinem Blog „Struktur und Arbeit“. Und weiter: „Man sitzt beengt, und mit meiner defizitären Motorik, fürchte ich, könnte ich bei Schnee und Eis (ich sterbe im Winter, denke ich) abrutschen, bevor ich Zeit zum Zielen gehabt hätte. Schön die leichte Strömung, die Herbstlaub und tote Körper nach Westen treibt“. Zehn Monate später am 26. August 2013 gegen Mitternacht beendet Herrndorf das

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Was die Einheit gebracht hat

Was haben Sie mit Ihrem ersten Westgeld gemacht? – „Eine Platte von Bruce Springsteen gekauft.“ – „Für das neue Auto angespart.“ – „Ich war gut essen und im Sexshop“. – Diese Antworten sind am Eingang im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu finden. Auf Zetteln von Besuchern angeheftet an einer großen Pinnwand. Genau 25 Jahre ist es her, dass DDR-Bürger 100 DM Begrüßungsgeld erhielten. Es war der hoffnungsfrohe Startschuss in eine neue Zeit. Und heute? Heute gibt es nur noch ein großes Anschweigen zwischen Deutschen in Ost und West, so scheint´s. Ein Arrangement wie in einer ordentlichen Ehe. Der eine Partner will ständig reden, während der andere partout nicht zuhört.

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Unter jedem deutschen Dach – ein großes gemeinsames Ach

Das Streithaus steht mitten im Dorf. Es ist ein einfaches märkisches Büdnerhaus mit zwei Eingängen, zwei Gärten und zwei Geschichten. Im kleineren Teil lebt seit langem eine alteingesessene Familie mit drei Kindern. Die linke Hälfte, der weitaus größere Teil verfiel in den letzten Jahren. Dann begannen plötzlich die Handwerker einzuziehen, rissen Wände ein, deckten das Dach neu und putzten das Haus so schön heraus, dass es kaum wiederzuerkennen war. Das neue Anwesen mit großzügiger Terrasse, Swimming Pool und Buchenhecken könnte jeden „Schöner Wohnen“- Wettbewerb bestehen. Landlust für Großstädter. Die perfekte Idylle. Hier erfreuen edle Ziersträucher, teurer Rollrasen und eine Bank aus Teakholz das Auge. Weder stören Gartenzwerge, Plastikrehe noch Hühner

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Halleluja

Die berührendsten Geschichten schreibt die Wirklichkeit. Sie finden nicht irgendwo statt sondern direkt hier bei uns. Vor unserer Haustür. In diesem Fall geht es um das somalische Ehepaar Aliyah und Rooble. Sie fliehen vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Von Mogadishu über Kenia, Sudan, durch die Sahara nach Libyen. Weiter übers Meer nach Lampedusa dann nach Dänemark und Deutschland. Sie kommen ins Aufnahmelager nach Eisenhüttenstadt. Trotz zweier Fehlgeburten wird ihr Antrag 2014 abgelehnt. Schließlich sitzen sie in Berlin fest. Endstation: Neukölln. Die Abschiebung von Aliyah und ihrem Mann Rooble ist angeordnet. Alle Rechtsmittel erschöpft. Die Flugtickets für Italien sind für den 5. Mai 2014 gebucht. Aliyah und Rooble sind am Ende

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Das Problemgewehr – ein Gedicht

„Mit defekten Waffen endlich Frieden schaffen“ – von Kurt Sonn.   „Heckler und Koch ist weltbekannt Als prima Waffenlieferant Ein Sturmgewehr wird fabriziert In großen Mengen produziert.   Doch das Gewehr schießt etwas schlecht Wenn heiß geworden beim Gefecht Nur mit viel Glück und ziemlich Schwein Trifft der Schuss ins Ziel hinein.   Die Bundeswehr schafft Waffen an Die unnütz für den Einsatzplan Gar nicht heiter und famos Geht der Schuss nach hinten los. Ein Gewehr muss mit Gelingen Die Leute um die Ecke bringen Der Feind schießt schließlich nach Bedarf Sehr treffsicher und extra scharf.   Mein Vorschlag wäre ganz spontan Schafft nur solche Waffen an Die niemals richtig

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