Category : aktuelles

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Amour fou – Teil 2

Zürich. 2011. Der Schweizer Literaturwissenschaftler Thomas Strässle öffnet mit zwei Schlüsseln ein Schließfach in einer Großbank. Im untersten Fach findet er Schachteln. In einer entdeckt er den Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Eine literarische Bombe. Das Dokument „einer Jahrhundertliebe“, titelt die ZEIT in ihrem Aufmacher. Es braucht weitere zehn Jahre, bis alle vorhandenen Briefe editiert und von den Angehörigen freigegeben werden. Der Briefwechsel ist im Verhältnis 2:1 zugunsten Bachmanns erhalten. Ingeborg Bachmann hatte in den sechziger Jahren viele Briefe von Max Frisch vernichtet. Nun ist bei Suhrkamp die Geschichte einer verrückten Liebe veröffentlicht worden. Titel: „Wir haben es nicht gut gemacht“. Die beteiligten Herausgeber/innen legen Wert darauf, dass

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Für ein Stück Brot

Endlich ist sie wieder da. Die kleine Gedenktafel, die an einen vergessenen Aufruhr von großer Tragik erinnern soll. Viele Jahre war das blau-weiße Emaille-Erinnerungs-Stück für zwei hingerichtete Menschen verschwunden. Eine Tafel für Menschen, die in den letzten Kriegstagen in Plötzensee unter dem Fallbeil sterben mussten, weil sie Brot wollten. Einfach nur ein Stück Brot. Brot, das kurz vor Kriegsende 1945 in Berlin nur noch an NS-Genossen verkauft werden durfte, um den „Endsieg“ zu sichern. Verschwunden war die alte blau-weiße Tafel von 1998, weil der neue Eigentümer die Bäckerei kaufte, sanierte und für die Wiederanbringung keine Notwendigkeit sah. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Es dauerte auch so viele Jahre, weil

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Amour fou

Die Menschen strömen an einem kalten Novemberabend ins Berliner Ensemble. Am Eingang bitten Besucher auf Pappschildern um Karten. Das Brecht-Haus am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte ist restlos ausverkauft. Ein erwartungsfrohes Publikum im gehobenen Alter wartet sehnsüchtig auf Neues, Intimes, Klatsch und Tratsch, kurz auf Szenen einer Ehe. Es geht um eine verrückte Liebe. Um Lust und Leidenschaft, Eitelkeit und Eifersucht, um das kleine und große Glück, das wir alle suchen. Im Mittelpunkt zwei längst verstorbene Größen des deutschen Literaturbetriebs: Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Zwei Ikonen der Dichtkunst, für knapp vier Jahre ein gemeinsames Paar. „Wir haben es nicht gut gemacht“, steht auf einem Transparent, das über der Bühne des großen

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Ihre Pfandflasche bitte!

Als Großstädter legt sich man sich im Laufe der Jahrzehnte eine dicke Haut zu. Sonst dreht man durch. Überall Tempo, Hektik, Enge, Glanz und Elend. Blitzschnelle Wechsel der Gefühle. Wer unterwegs ist, trifft im Zeitraffer Paradiesvögel, Aufschneider, schräge Typen und sonderbare Zeitgenossen. Armut ist ein ständiger Begleiter in U- und S-Bahnen. Geschnorrt und gebettelt wird überall: an Bahnhöfen und Übergängen, vor Geldautomaten und Supermärkten. Die Habenichtse versuchen es mit Musikeinlagen, Straßenzeitung oder einem treuherzigen Hund. Geld kannst du loswerden: morgens auf dem Weg zur Arbeit, abends auf dem Nachhauseweg. Ratsam ist ein gehöriger Schuss Gleichgültigkeit. Problem nur: Die Seele vernarbt. Aber wer kann schon allein die Welt retten?    

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Unter Nachbarn

Unser Haus ist ein typisches Berliner Mietshaus. Gründerzeit. Anfang des 20. Jahrhunderts in die märkische Erde gepflanzt. Schickes Vorderhaus, enger Hinterhof, begrünte Brandwand. Zwei Seitenflügel, drei Aufgänge, kein Fahrstuhl. Vorne bürgerlich-großzügig, typisch Wilmersdorf. Die Treppenhäuser in den beiden Seitenflügel sind deutlich schmaler, die Hinterhofwohnungen kleiner, aber preiswerter. Die gut vierzig Mitbewohner – groß und klein, alt und jung, sind so unterschiedlich wie die Stadt. Vom BVG-Ruheständler über die Bosnierin, parterre rechts, die vor Krieg und Vertreibung geflüchtet ist, bis zu mir als Fernsehmenschen ist eine bunte Mischung vertreten. Wir kommen in der Regel gut klar. Einmal im Jahr gibt es ein Hoffest. Jede/r bringt etwas mit, bis Würstchen, Kartoffelsalat, Bier

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Mambo, Mozart und mehr

Wann gibt es das in der Berliner Philharmonie? Heiße Rhythmen, rhythmisches Klatschen, kreisende Hüften und tanzende Menschen im Foyer. Ausgelassen, spontan, begeistert zwischen Ausgang und Garderobe, ohne Programmankündigung und Sitzplatzreservierung. Die kubanischen Musiker des Havana Lyceum Orchestra verlängerten ihr zweistündiges Konzert im Kammermusiksaal und zogen in der Zugabe fröhlich-beschwingt aus dem Saal in die Empfangshalle. Dort sangen und improvisierten sie weiter, Chan Chan und Guantamera. So viel Lebensfreude, so viel Energie war schon lange nicht mehr in der eher hüftsteifen Philharmonie. Ein Konzerttempel, in der das gesetzte Publikum höchstens in Satzpausen mit einem spontanen Hustenkonzert auffällt. Mitten in der tanzenden Menge Hornistin Sarah Willis, lachend, ohne ihr Instrument, dafür mit

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„Sein oder Nichtsein“

Die Hitlers kommen und gehen. Das Theater bleibt. Das ist die Geschichte von Sein oder Nichtsein. Shakespeare at its best. Polen, zu Beginn des II. Weltkrieges. Ein kleines Ensemble probiert, parodiert und präsentiert pointiert Hamlet. Das Team steht mit dem Rücken zur Wand, gibt alles, in den besten Momenten bringt es die Allmächtigen dieser Welt zum Wanken. So entsteht eine Parabel mit viel Galgenhumor, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt. New York 1942. Vor genau achtzig Jahren, als die Nazis auf dem Höhepunkt ihrer Macht sind, feiert die Tragikomödie Sein oder Nichtsein Premiere. Im Mittelpunkt eine Theatergruppe im von Deutschland überfallenen und besetzen Polen. Der Film wurde

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Hemingway in Charkiw

Was kann Literatur in Kriegszeiten bewirken? Die erste Aufgabe ist es, Augenzeuge zu sein. Festhalten, was geschieht. Die zweite muss sein, zu reflektieren, was möglich wird, was anders gemacht werden kann, was zu lernen ist. Das Internet ist voll mit russischen und ukrainischen Texten. Fast 80% der aktuellen Texte sind Kriegserzählungen, Liebesgeschichten fehlen. „Krieg zerstört die Sprache. Das führt zur Sprachlosigkeit“, sagt Serhij Zhadan. Schreibender, singender und freiwilliger Helfer an der Front. Ein mehr als aktiver Poet aus Charkiw. Seine geschundene Heimatstadt im Osten der Ukraine steht seit dem ersten Tag des Überfalls unter Beschuss. Doch die Charkiwer geben nicht auf, obwohl die Russen ihre Stadt seit seinem halben Jahr

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Der „Trottel“

„Eines der streckenweise intelligentesten Bücher, das der Rezensent je gelesen hat. Leider zerstört sich der Text nach und nach selbst, weil seine innere Wucht einerseits vertikal verpufft, andererseits seitlich auseinanderfließt.“ Oder: „Für jeden seiner vielen Fußnoten verdient dieser Mensch einen Stromschlag angemessener Stärke und Spannung.“ Der neue Roman „Trottel“ liefert gleich zu Beginn im Umschlagband „Anregungen und Vorschläge für Rezensenten, nützliche Bonmots für Streitgespräche oder zukünftige Nackenschläge“. Alles im Preis inbegriffen. Der „Trottel“ versorgt faule und/oder vorurteilsbeladene Vertreter der Kritikerkaste mit Munition für die Handhabung eines Buches, das wirklich anders ist als die anderen. Bereits der kurze Titel Trottel überrascht. Das Buch stammt aus der Feder von Jan Faktor. Er

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Väterchen Russland! Was machst Du?

„Was ist mit Russland passiert? Seit dieser Krieg im Februar 2022 begonnen hat, haben mir viele Leserinnen und Leser aus der Ukraine geschrieben. Sie haben mir Fotografien von U-Bahnhöfen aus Kiew und Charkiw geschickt, die sich bei russischen Artillerie- und Bombenangriffen in unterirdische Bunker und Städte verwandelten und in denen Menschen zum Teil wochen- und monatelang gehaust haben. Sie schrieben mir: »Sehen Sie, Dmitry, Sie haben das alles vorausgesagt. Wir leben jetzt in Ihrem Buch Metro 2033.« Natürlich habe ich, wie wir alle, diesen Krieg nicht voraussehen können. Sicher, ich habe mir mit großer Begeisterung apokalyptische Szenarien ausgemalt, aber dabei nie wirklich daran geglaubt, dass eine so ungeheuerliche Barbarei, eine

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