Category : aktuelles

„Familienabend“ 4. und letzter Teil

Folge 4: „Ich fange so langsam an, die liebe Verwandtschaft zu hassen. Letzten zum Beispiel fing Karls Frau an, ob Paul nicht mal ihr Wohnzimmerfenster putzen könne. Sie hätte gar nicht mehr die Kraft dazu.“ Wolfgangs Mutter machte nach, wie gebrechlich ihre Schwägerin plötzlich tat. Selbst ihre Stimme piepste nur noch. „Ist das nicht eine Frechheit? Mein Mann ist selbst alt, schließlich lassen sie nur Rentner, na oder Stasi- bzw. Außenhandelsleute rüber. Da bildet die sich ein, Paul könne ihren Dienstbolzen machen. Ich habe sofort gesagt: Komm Paul, wir gehen! Was denkst Du, wie sich Dein Bruder aufgeregt hat. Wir sollen um Gottes Willen bleiben, seine Frau ist nicht mehr

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„Familienabend“ Teil 3

Folge 3: Das Radio dudelte gerade: „Geht es rundherum auf dieser Erde…“ „Bloß nicht für uns“, murmelte Wolfgang. Er langte nach seiner Tasse. Der Kaffee war allerdings noch zu heiß. Er stellte die Tasse wieder ab. Dann griff er noch einmal das Kreditthema auf: „Dass die drüben unserem Staat Kredite einräumen, und zwar gern, ist doch logisch.  Hier bürgt der Staat und nicht irgendeine Firma für die Rückzahlung des Geldes. Eine sicherere Anlage können die gar nicht haben.“ „Sag mal“, wurde jetzt sein Vater gesprächiger, „Du glaubst wohl deren Gerede drüben, wie sie für mehr Menschlichkeit sind. Was denkst Du, warum die sich noch nie dafür eingesetzt haben, mit unserer

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„Familienabend“ – Teil 2

Folge 2: „Ich gehe gerne zur Arbeit“, murmelte Jörgs Opa. Ich kann Dich schon verstehen“, sagte Karin, „nicht nur weil Dein Vater Kommunist war, denkst Du so. Ich freue mich genauso wenig wie Du, wenn Kapitalisten auf Knochen der Arbeiter reicher und reicher werden. Aber Du siehst doch, dass es dort besser funktioniert. Natürlich müssen die Arbeiter starke Gewerkschaften haben, sonst macht man mit ihnen, was man will. In de Punkt gebe ich sogar den Klassikern des Marxismus-Leninismus recht, dass die einzige Waffe der Arbeiter ihre Organisation ist.“ „Mein Gott, wir haben doch auch etwas geschafft!“ schimpfte der Opa. „Ja auch, aber eben weniger. Obwohl wir hier nicht fauler sind

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„Familienabend“

Folge 1: „Jörg, der für gewöhnlich bei seinen Schulaufgaben mindestens zehn Träume einschob, war flink fertig geworden. Heute Abend wollten sie zur Oma gehen, die gemeinsam mit Opa zwei Tage „drüben“ in Westberlin gewesen war. Er hatte sich ein „Asterix-Heft“ bestellt und war nun schon seit Tagen gespannt, ob sein Wunsch erfüllt würde. Gleich nachdem Karin und Wolfgang nach Hause gekommen waren, drängelte der Junge unentwegt, dass sie losgehen sollten.  Bei der Großmutter angekommen, konnte er überglücklich seinen „Asterix“ in Empfang nehmen. Er zog sich in die Küche zurück und war für niemand zu sprechen. Wolfgangs Mutter sah schlecht aus. Der Besuch musste anstrengend gewesen sein. Karin und Wolfgang fragten

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Kleine Frau, was nun?

  Sie hat so gelitten und ist noch immer voller Mut und Witz. Wilma R. lebt im Osten. Eine waschechte Berlinerin. Mitte siebzig. Zweieinhalb Zimmer mit Balkon. Eine Rente, die gerade so reicht. Eine „kleine Frau“ mit Herz und Schnauze. Sie konnte nicht wegsehen, Unrecht kaum ertragen. Für ihre große Klappe holte sie sich heftige Schrammen. Denn insgeheim wollte sie lieber Schriftstellerin als „Sachbearbeiterin“ werden. Also setzte sie sich abends nach Schicht und Kinderversorgung an ihre Schreibmaschine und tippte los. Mit unfassbaren Folgen. Berlin. Hauptstadt der DDR. Ende der siebziger Jahre. Wilma erfindet ihre Familie Kraft. Mann, Frau, Sohn. Eine Durchschnittsfamilie. Wohnung zu klein, Hoffnungen auf Besserung groß. Wilma schreibt

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Stecker raus

Was ist, wenn der Strom ausfällt? Kein Netz, kein Gerät, kein Computer mehr funktioniert. Dann ist der moderne Zeitgenosse ausgestöpselt. Abgezogen. Außer Gefecht und Rand und Band. Auf neudeutsch Unplugged. Stecker raus. In der Musikbranche gilt dieser Moment als einzig wahrhafter. Wer kann heute im Business noch unverstärkt und ohne Sound-Computer auftreten? Wer ist noch in der Lage live zu spielen? Wer kann noch singen? Performen? Das sind die Minuten, auf die es ankommt, die zählen. Unplugged ist seit 1989 ein Format bei MTV. „Wer hier auftritt, hat’s geschafft: ‚MTV Unplugged‚ ist der Ritterschlag für die Größten der Großen“, heißt es vollmundig. Tja. Ungeschminkt sollen und können Musiker zeigen, was

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Das Leben der Fußgänger

„Rette sich, wer kann“. Es gilt „die Menschenwürde der Fußgänger hochzuhalten, die kaltblütig, mit Todesverachtung, den Kampf gegen die Übermacht aufnehmen“. Es geht um das Überleben im Großstadtdschungel. Wir befinden uns im Jahre 1934 in der Reichshauptstadt Berlin. „Ungepanzert und waffenlos“ muss sich der Fußgänger „in schlichter Zivilkleidung“ durchkämpfen, „inmitten des tobenden und klirrenden Wirrwarrs losgelassener Mammutmächte auf dieser wildgewordenen Welt – was ist jeder einzelne von uns anderes als ein Fußgänger?“ Diese Frage stellt der literarische Fußgänger Raimund Werner Martin Pretzel. Ein junger aufstrebender Referendar am Kammergericht Berlin, der sein Geld lieber mit kleinen Alltags-Texten bei der Vossischen Zeitung verdient. Die Fußgänger-Glosse ist eine geschickte Anspielung auf die neuen

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Was wird?

Que sera? Bass-Alt-Meister Marcus Miller und die hochtalentierte Selah Sue haben die passende Antwort: Es liegt an Dir. Mach was aus Deinem Leben. Ob weiß oder schwarz, reich oder arm – gute Lieder kennen keine Ober-Grenzen. Musik ist die Weltsprache, die jeder versteht, wenn er oder sie nur will. In diesem Herbst haben US-Bassist Marcus Miller und die belgische Singer-Songwriterin Selah Sue das alte Filmlied von 1965 neu intoniert. Que será, será Whatever will be, will be The future’s not ours to see Que será, será What will be, will be     Selah Sue ist in einer belgischen Kleinstadt aufgewachsen. Rasch schaffte die 29-jährige den Sprung von einem der

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Das Wunder von Rossow

Bange machen gilt nicht. Seit 93 Jahren lebt Edith von Jüchen nach diesem Motto. Dieses unerschütterliche Selbstvertrauen verdankt sie ihrem Vater Aurel von Jüchen. Einem adeligen Gottesmann aus Gelsenkirchen. Er war in den Nazi-Jahren im brandenburgischen Rossow Pastor. Tochter Edith sagt: „Trotzalledem. Ich bleibe dabei. Es war die beste und schönste Zeit meiner Jugend.“     November 1938. Edith ist vierzehn Jahre alt als der Nazi-Terror gegen Juden über Deutschland hinwegfegt. Im kleinen Rossow bei Wittstock tauchen am 11. November 1938 angetrunkene SA-Leute in Zivil auf. Es ist ein Samstag, zwei Tage nach den organisierten Pogromen im gesamten Reichsgebiet. Der Kreisleiter aus Pritzwalk feiert Geburtstag und das einzige Judenhaus von

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„Mein Milljöh“

Wie fast alle Berliner Originale, war auch er ein Fremder, ein Zugereister. In diesem Fall ein Sachse aus Radeburg: „Pinselheinrich“ Zille. Der Maler und Chronist verkörpert die perfekte Kombination aus Berliner Schnauze und Berliner Lebensart. Ähnlich wie Volks-Sängerin Claire Waldoff, deren Wiege in Gelsenkirchen stand. Nun hat die Berlinische Galerie Heinrich Zilles fotografischen Schatz freigegeben. Es sind 628 Fotografien aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. Dieses einmalige Erbe ist seit kurzem Volkseigentum. Rechtefrei und kostenlos verwendbar.       Die Fotografien zeigen weder Kaisers Glanz und Gloria noch das vielbeschworene und verruchte Babylon Berlin. Zille kümmerte sich um die kleinen Leute. Um den Alltag in engen Hinterhöfen, trostlosen Mietskasernen

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