„Weltaugenblick“
Berlin in einer kalten Januarnacht 1919: „Abends in einem Kabarett in der Bellevue Straße. Rassige spanische Tänzerin. In ihre Nummer krachte ein Schuss hinein. Niemand achtete darauf. Geringer Eindruck der Revolution auf das großstädtische Leben“. Schüsse und Straßenschlachten betrachten die feierwütigen Bohemiens allenfalls als lästige Störung, „wie wenn ein Elefant einen Stich mit einem Taschenmesser bekommt“, notiert der Gesellschaftsbeobachter Harry Graf Kessler Anfang der zwanziger Jahre. Exakt vor hundert Jahren am 1. Oktober 1920 lernt Groß-Berlin – wie wir es heute kennen – das Laufen. Acht selbständige Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke sind per Gesetz zusammengeschlossen worden. Über Nacht katapultiert sich diese Ansammlung von märkischen Dörfern zur drittgrößten Metropole