Category : aktuelles

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Von Siegern und Besiegten

Der dreißigjährige Frieden seit dem Mauerfall ist ein Grund zum Feiern. Das findet eine Mehrheit der Deutschen laut Umfragen. Doch die Ruhe trügt. Unter dem Einheits-Jubel gärt es kräftig. Ist das berechtigter, nachvollziehbarer Frust oder selbstgerechter Wohlstandsblues einer verwöhnt-überempfindlichen Gesellschaft? Sieger schreiben Geschichte. Das heißt: es gibt auch Besiegte. Diese schweigen, ziehen sich grollend zurück, verbittern. Ist folglich die AfD die logische Antwort auf die letzten dreißig Jahre? Bedeutet die Wahl in Thüringen den Einstieg in den Ausstieg aus alten Gewohnheiten, Mustern und Illusionen der vereinten Bundesrepublik? In diesem prosperierenden Bundesland wählten vor kurzem mehr als 55% scharf Rechts oder scharf Links. Die sogenannte Mitte aus CDU und SPD kam

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Über sieben Brücken

Das Lied ist ein echter Ohrwurm. Und längst deutsches Kulturgut – im ganzen Land, nunmehr seit fast dreißig Jahren vereint. „Über sieben Brücken musst du gehen“. Wer aber konstruierte die Brücken? – Helmut Richter. Ein Ingenieur und Dichter. Jemals gehört? Wohl kaum. Einige wenige kennen seinen Roman „Scheidungsprozess“ oder Hörspiele wie „Schornsteinbauer“ und „Alfons Köhler“. Mit seinem Brückenlied traf er ins Schwarze. Ein Lied, das buchstäblich über Nacht berühmt wurde. Richter schrieb den Song eigentlich für eine DDR-Fernsehproduktion im Jahre 1978. Der Film erzählt die Liebesgeschichte eines deutsch-polnischen Pärchens. Der vierminütige Abspann ist mit dem Song der Ost-Berliner Band Karat unterlegt. Das Lied traf den Nerv. Karat verkaufte ihren größten

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„Wahnsinn“

Es war einmal ein Land, das geteilt war. Das ist lange her. Heute teilen wir alles. Berlin, Deutschland, Europa und die Welt. Genau wie unsere Gefühle und Emotionen: Liebe, Hass, Leidenschaft, Wut, Überzeugungen, Ideologien, Hoffnungen, Enttäuschungen, Resignation, Trauer. Sofort, per Klick, rund um die Uhr. Wir teilen auf facebook, twitter, instagram, telegram, tiktok. Make your day. Real people. Real videos, heißt es in den digitalen Netzwerken. Dort findet heute der Kalte Krieg statt. Wir teilen aus, teilen uns mit, teilen die Welt ein in Gut und Böse. Im einst durch Mauer und Stacheldraht eingeschnürten Land gab es eine geflügelte Redewendung. „…in dieser Frage sind wir aber absolut geteilter Meinung.“  

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Mit-Gefühl – Feeling

Sie ist jung, talentiert, sieht gut aus und wird als Jazz-Wunder in den Medien gefeiert.  Sie selbst ist bescheiden geblieben. Kinga Glyk. Singen kann sie nicht, sagt die junge Polin über sich selbst. Will sie auch nicht. Lieber beherrscht sie ihren Bass wie keine andere ihrer Generation. Dabei ist der Bassist in der Regel männlich, eher zurückgezogen und zupft diskret im Hintergrund. Als Instrument übernimmt der Bass vorzugsweise eine dienende Rolle. Nicht bei Kinga Glyk. Virtuos entwickelt die Polin auf ihrem Lieblingsgerät eine eigene Handschrift, die überrascht und überzeugt. Kinga ist mittlerweile zwanzig Jahre alt. Sie gilt als eines der großen Talente im europäischen Jazz. Kinga ist ihr polnischer Vorname

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Seelen-Futter

Je älter desto besser? Tja. Sagt man so. Gilt das auch für Van the Man? Für den Nordiren Van Morrison, der auf den Bühnen der Welt so gerne übelgelaunt die beste weiße Bluesperformance in die Herzen seines Publikum trägt. Und das seit über fünf Jahrzehnten. Ja, richtig. Es stimmt. Der Mann ist wie guter Wein. Und: Je trostloser die Lage, desto besser der Sound? Auch das trifft zu. Sir Van Morrison, von der Queen vor einigen Jahren geadelt, legt in diesen Tagen sein neues Album vor. Sein wievieltes? Ich weiß es nicht. Es sind so viele. Was ich aber weiß: In Zeiten von Attentaten, Anschlägen, Brexit-Gezerre, zynischen Eliten, Kriegen und

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Der Traum vom Baum

Neues zur Klimakrise. Politiker zeigen Entschlossenheit, wollen handeln. Ob in der Bundesregierung oder auf lokaler Ebene. Dort, wo Politik konkret ist. Der Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hat in diesen Tagen den „Klimanotstand“ ausgerufen. Rot-Rot-Grün packt an. Denn: „Das Klima wartet nicht“, sagt der Sprecher der Bündnisgrünen. Was geschieht? Unzählige Papiere werden gedruckt, in Umlauf gebracht, verworfen, korrigiert, um am Ende wieder im Papierkorb zu landen. Kreislaufwirtschaft im 21. Jahrhundert. Alle Beschlüsse vor Ort sollen künftig auf Folgen für die Umwelt überprüft werden. Auf Basis der 17 UNO-Nachhaltigkeitsziele. Das hört sich beeindruckend an – Klimarettung auf höchstem Niveau.  Und die Praxis?     Tatsächlich hat der wohlsituierte Kudamm-Bezirk andere Probleme. Neue Bäume

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Genau richtig

Hat Literatur die Macht, Wut, Hass und Vorurteile zu überwinden? Können Bücher wirklich etwas verändern? Jostein Gaarder müsste es eigentlich wissen. Der Norweger hat seinen Bestseller Sofies Welt sechzig Millionen Mal in die Welt verkauft. Momentan entdecken die Chinesen seine Betrachtungen über die Fragen des Woher und Wohin der Menschheit. Jostein Gaarder zögert mit seiner Antwort. Er schaut mich an. Überlegt. Der große alte Erzähler aus Norwegen bleibt skeptisch. Er sagt: Wir leben in einem Zeitalter der Bilder. Sie haben längst mehr Wert als Worte. Aber! Die Zukunft des Wortes sei dennoch nicht zu unterschätzen. In diesem Sommer erscheint in Deutschland sein neues Buch: Genau richtig. Die Geschichte von Albert

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Landregen

Wie wäre es mit einem langen, ergiebigen, auf Dächer und Fensterscheiben platternden Regen? Nicht generiert auf der App „Rainy“ oder „Relax“ zum besseren Einschlafen. Nein. Vielmehr in der wirklichen Wirklichkeit. Im richtigen Leben. Landregen hieß es bei den Großeltern, wenn es mehr als sechs Stunden gleichmäßig aus dunkel-grauen Wolken tröpfelte, goss und plätscherte. Wenn Regen über das Land hinwegzog. Und einfach verweilte. Kein Starkregen. Keine Unwetter mit tennisballgroßen Hagelkörnern. Nein, einfach ein stiller, langanhaltender, unspektakulärer Dauerregen. Bereits im zweiten Sommer in Folge erweist sich diese Form von Landregen als äußerst sparsam und zurückhaltend. Petrus verweigert in weiten Regionen des Landes seine Dienste. Da kann die Wetter-App vorab noch so viel

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Flieg, Amsel, flieg

Abheben, Fliegen, Frei sein. Paul McCartney packte in seine zwei Minuten und zwölf Sekunden Blackbird alles, was ihn bewegte. Er verdichtete das wilde Jahr 1968 in wenige Zeilen. Aufbruchstimmung. Protest. Hoffnung. Ausrufezeichen einer Generation, die unbeschwert an ein besseres Morgen glaubte. Blackbird fly into the light. Musikalisch inspiriert durch Johann Sebastian Bachs Bourée griff McCartney die alltägliche Diskriminierung der schwarzen Minderheit in den USA auf. Die Amsel verkörpert für ihn eine Frau, die sich schlimmsten Attacken ausgesetzt sieht. Nur wegen ihrer Hautfarbe. „Anstatt konkret zu werden und von einer ‚schwarzen Frau in Little Rock‘ zu singen, wurde diese Frau zum Vogel, ein Symbol, das die Zuhörer dann auf ihr spezielles

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Nichts müssen

„Nichts machen, nichts wollen, nichts müssen! – Einfach sein.“ Was für ein einfacher, bestechender Gedanke. Einmal die Woche zählt nur diese Erfahrung – für eine Viertelstunde. Entspannen. Loslassen. Abtauchen. Keine Termine, keine Hektik. Keine Konkurrenz, keine Konflikte. Keine bange Frage – wie schaffe ich das nur? Dann weckt die Yoga-Lehrerin ihre versammelten Zöglinge mit der Klangschale. Runter von der Matte. Zurück ins Leben. Auf zu neuen Taten. John Metcalfe kommt vom anderen Ende der Welt. Geboren und aufgewachsen in Neuseeland, fand er in London eine neue Heimat. Der 55-jährige Komponist sucht den richtigen Ton. Für sich und seine Zuhörerschaft. Der Bratschist entdeckt mit Hilfe der Musik die Welt, wandert durch

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